Integration macht gesund

Das Projekt „Migranten informieren Migranten“ soll in Duisburg und Essen für gesunde Zuwanderer sorgen. Geschulte MigrantInnen klären in ihrer Muttersprache über Gesundheitssystem, Praxisgebühr und Präventionsmöglichkeiten auf

VON BARBARA RUPFLIN

MigrantInnen sollen ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen. Dafür sorgt das Gesundheitsprojekt „Migranten informieren Migranten“ (MiMi), das jetzt in Duisburg praktisch umgesetzt wird. Die Idee ist simpel: MigrantInnen sollen ihre Landsleute in der Muttersprache über das deutsche Gesundheitssystem, über Praxisgebühr und Zahnersatz aufklären. Das Motto: „Von Migranten für Migranten“.

Zu Beginn des Projekts wurden über 30 MigrantInnen in einem 50-stündigen Spezialkurs zu MediatorInnen geschult. Als „gut integrierte Migranten“ in so genannten Schlüsselpositionen sollen sie Brücken bauen zwischen dem deutschen Gesundheitssystem und der jeweiligen Kultur der MigrantInnen und damit „das Bewusstsein für Gesundheit und Prävention fördern“, so die Organisatoren.

Konzipiert wurde das Projekt vom Ethno-medizinischen Zentrum in Hannover im Auftrag des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK). Auch die Krankenkasse NOVITAS/Vereinigte BKK beteiligt sich, „gerade weil wir hier in Duisburg so viele türkische Versicherte haben“, erklärt die Mitarbeiterin Roxane Schulz. Langfristig gehe es auch um Kostenreduktion.

Bedarf sieht die Kasse vor allem bei der Gesundheitsvorsorge. So gingen MigrantInnen etwa weniger zum Zahnarzt oder zu Vor- und Nachsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft. Oft sei der Grund dafür bloßer Informationsmangel. „Das Gesundheitssystem ist schon für Deutsche komplex genug“, sagt Bettina Schuhmacher, Geschäftstellenleiterin der Kommunalen Gesundheitskonferenz Duisburg, die auch am Projekt beteiligt ist. Deshalb wurde im Rahmen des Projekts von der BKK ein „Gesundheitswegweiser“ erstellt, der in acht Sprachen die Grundzüge des deutschen Gesundheitswesens darstellt.

Auch in den Veranstaltungen geht es zuerst um das Gesundheitssystem. Danach kommen Themen wie Ernährung, Familienplanung oder Mundgesundheit zur Sprache.

Ab November stehen in Duisburg die MediatorInnen für Vorsorgeveranstaltungen unter anderem auf Arabisch, Russisch, Serbisch oder Türkisch zur Verfügung. Ihre Daten werden im Büro der Kommunalen Gesundheitskonferenz gespeichert und können von Interessierten abgefragt werden. Die MediatorInnen „verbinden Fachwissen mit kulturellem Hintergrund“ und finden damit leichter Zugang zu ihren Landsleuten, erklärt Bettina Schuhmacher.

„Mehrsprachige Mediatoren sind einfach näher dran“ sagt Annegret Grewe, Ausländerbeauftragte der Stadt Bielefeld. Dort wurde das Projekt schon im vergangenen Jahr durchgeführt. Es gehe darum „kultursensibel zu übersetzen“ erklärt sie, nicht bloß zu dolmetschen. „Gute Zweisprachigkeit“ und die Kontakte zur „Community“, der die Themen vermittelt werden sollen, waren deshalb bei der Auswahl der MediatorInnen wichtig.

Eine von ihnen ist Schewa Sabih. Sie studiert an der Uni Duisburg Sozialwissenschaften und arbeitet bei der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien. Auf Kurdisch oder Arabisch referiert sie über Mundgesundheit bei Kindern oder Verhütung und Schwagerschaftsvor- und Nachsorge.

Ihre Zuhörerinnen, Mütter aus dem Kindergarten in dem sie arbeitet, reagieren positiv. „Warum wurde das nicht schon längst gemacht?“, wird Sabibh manchmal gefragt. Bei Gesprächen über die Kinder stößt sie auch auf Probleme der Mütter. Oft geht es dabei um psychische Belastungen, die aus der spezifischen Migrationssituation entstehen. „Eine Frau war durch ihre Flucht aus dem Iran und der Trennung von ihrer Familie seelisch kaputt. Aber ihr wurde nur gesagt: Du bist nicht krank“, erzählt Sabih. Auch andere MediatorInnen wurden immer wieder mit psychischen Problemen konfrontiert. Auf ihre Initiative wurde das Thema „seelische Gesundheit“ aufgenommen.

„Viel Aufklärung und viel Diskussion“ sei notwendig, meint Ramazan Salman, Leiter des Ethnomedizinischen Zentrums. Leider gebe es so gut wie keine psychologische Beratung, die auf die spezifischen Schwierigkeiten von MigrantInnen eingingen. Obwohl es Häufungen bestimmter Krankheiten bei MigrantInnen gebe, könne man jedoch nicht von „Migrationskrankheiten“ sprechen, betont Salman. Die speziellen Lebensumstände der MigrantInnen könnten jedoch zur Verstärkung der auslösenden Faktoren führen. Wichtig sei, dass die MigrantInnen „kompetent gemacht werden in Sachen Gesundheit“

In Duisburg läuft das Projekt Ende 2006 aus. Potentielle Nachahmer sind die Städte Bochum und Gelsenkirchen. Woher das Geld kommen soll, weiß derzeit niemand. Die Gespräche darüber fänden erst Ende des Jahres statt, sagt Schuhmacher. Dann würde klar, ob und wie das Projekt MiMi weiterlaufe.