TTIP? Mais non!

Freihandel Frankreich und Belgien gehen nach den Greenpeace-Leaks auf Distanz zum geplanten Abkommen mit den USA. Selbst die EU-Kommission zweifelt

Albtraum Freihandel? Auch die Franzosen sorgen sich, dass TTIP der Landwirtschaft schadet Foto: Christophe Ena/ap

AUS BRÜSSEL Eric Bonse

Nur nichts anmerken lassen! Nach dieser Devise reagierte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström auf die Greenpeace-Enthüllungen zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. Doch nun kommen auch hartgesottenen EU-Politikern Zweifel, ob TTIP überhaupt noch machbar – und durchsetzbar – ist.

Die US-Regierung bewege sich zu wenig, damit dieses Jahr noch ein Abschluss gelingen könne, sagte ein hochrangiger Vertreter der EU-Kommission der Süddeutschen Zeitung. Die Brüsseler Behörde wollte diese Einschätzung zwar nicht bestätigen. Die Verhandlungen gingen wie geplant weiter, hieß es.

Doch wirklich überzeugt sind auch die europäischen Verhandlungsführer nicht mehr. Bereits seit November warten sie vergeblich auf eine Antwort der Amerikaner zum geplanten neuen Handelsgerichtshof, der die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Investoren (ISDS) ersetzen soll.

Auch ein Vorstoß zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte in TTIP blieb in Washington unbeantwortet. Die von Greenpeace geleakten Verhandlungspapiere lesen sich denn auch wie eine Ansammlung völlig gegensätzlicher, im Kern unvereinbarer Standpunkte. Von Annäherung, gar Einigung ist nichts zu sehen.

Das macht nun auch die EU-Staaten und das Europaparlament nervös. Sie könnten ihren Frust nicht nur gegen Washington, sondern auch gegen Brüssel wenden – und die EU-Kommission so an einem Abschluss hindern. Denn ohne grünes Licht aus Rat (der Vertretung der EU-Länder) und Parlament geht gar nichts.

Besonders vehement wehren sich Belgien und Frankreich. In Belgien blockiert die Region Wallonien bereits das ebenfalls umstrittene Ceta-Abkommen mit Kanada. Ministerpräsident Paul Magnette, ein Sozialist, will der Föderalregierung in Brüssel nun auch das Mandat für TTIP entziehen.

Noch weiter geht die ebenfalls sozialistische Regierung in Paris. Der für TTIP zuständige Außenhandelsstaatssekretär Matthias Fekl sagte dem Radiosender Europe 1, ein Stopp der Gespräche scheine gegenwärtig „die wahrscheinlichste Option“ zu sein. Grund sei „die derzeitige Einstellung der USA“.

Fekl beklagte: „Europa schlägt viel vor und bekommt im Gegenzug kaum etwas.“ Das sei nicht akzeptabel. Zugleich betonte der Staatssekretär, es könne kein Abkommen „ohne Frankreich und schon gar nicht gegen Frankreich“ geschlossen werden.

Auch Präsident François Hollande hat den Ton verschärft. „Beim gegenwärtigen Stand sagen wir Nein zu TTIP“, sagte der Staatschef am Dienstag in Paris. „Wir werden niemals zulassen, dass zentrale Prinzipien in der Landwirtschaft, der Kultur und beim Zugang zu öffentlichen Märkten infrage gestellt werden“, betonte Hollande.

„Beim gegenwärtigen Stand sagen wir Nein zu TTIP“

FRANKREICHS PRÄSIDENT Hollande

Damit geht Frankreich auf Konfronta­tionskurs zur Bundesregierung in Deutschland, die weiter zu TTIP steht. Allerdings haben auch CDU, CSU und SPD ein Problem: Ihnen laufen die Truppen im Europaparlament davon, das dem Abkommen am Ende auch zustimmen muss.

Obwohl bereits seit drei Jahren verhandelt werde, „stehen sich immer noch die Maximalpositionen gegenüber“, beklagte der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD). Es gebe noch eine Reihe ungelöster Fragen, sodass es in diesem Jahr nicht mehr möglich sei, „ein vernünftiges Ergebnis“ zu erzielen.

Auch der CSU-Europapolitiker Manfred Weber ging auf Dis­tanz zu den USA. Mit dem Europaparlament werde es keine Absenkung der Verbraucherstandards geben, sagte er sagte dem Straubinger Tagblatt.

Als bedingungsloser Freihändler outete sich dagegen Alexander Graf Lambsdorff, einer der letzten FDP-Politiker in Brüssel. Die Verhandlungspositionen beider Seiten seien im Großen und Ganzen schon längst bekannt. Nun werde „aus einer Maus ein Elefant“ gemacht. Wie die EU und die USA TTIP jetzt noch durchsetzen könnten, wollte Lambsdorff allerdings nicht verraten.