Im Notfall hilft der Onkel Willi

Herbstcamp soll rund 80 Haupt- und RealschülerInnen für Bewerbungen fit machen. Bildungssenator Lemke hofft auf Erfolg dieser neuen Form staatlicher Berufsförderung

Bremen taz ■ Filiz ist 15, möchte Floristin werden und weiß sehr viel über gestaffelte Blumensträuße. Nur den Namen des Bundespräsidenten kennt sie nicht. Dafür aber den der künftigen Kanzlerin. Die Hauptschülerin sagt Sätze wie: „Für mich ist der Kunde König.“ Oder: „Lange Arbeitswege, frühe Arbeitszeiten, alles kein Problem für mich.“ Damit punktet die Zehntklässlerin zumindest im gestellten Bewerbungsgespräch mit einer Berufsberaterin und – Bildungssenator Willi Lemke (SPD) höchstpersönlich. Der war gekommen, um zu sehen, wie „sein Herbstcamp“ läuft: Das war bundesweit erstmalig am Montag als dreitägiger Crashkurs in Sachen Berufsorientierung und Bewerbungstraining für Jugendliche gestartet.

Ähnliche Projekte fanden in Bremen schon während der Oster- und Sommerferien statt. Da gab es staatliche Nachhilfe und Förderung für SchülerInnen mit Migrationshintergrund. In den jetzigen Bewerbungscamps nehmen insgesamt rund 80 SchülerInnen von sechs Haupt- und Realschulen im Land teil. Finanziert wird das Projekt vom Senator für Bildung und Wissenschaft, Kooperationspartner ist das Landesinstitut für Schule (LIS). Freie Träger wie das Jugendprojekt „Ran an die Zukunft“ (RAZ) der evangelischen Kirche in Walle führen die Camps durch. Gestern ging hier für 13 TeilnehmerInnen der erste Crashkurs zu Ende.

Die 15-jährige Filiz und die 16-jährige Kübra lernten dort, dass nervöses Herumzappeln im Vorstellungsgespräch Minuspunkte bringen kann. Außerdem erarbeiteten sich die beiden Schülerinnen der Pestalozzischule feste Vorstellungen von ihrer Wunschlehrstelle: Floristin und Bürokauffrau. Um dahin zu kommen, lernten sie, wie man eine fehlerfreie Bewerbung schreibt und übten im Rollenspiel das perfekte Vorstellungsgespräch. Besonders begeistert hat die Mädchen allerdings ein Aikido-Training. Da zerschlugen die beiden jungen Frauen ganze Bretter. „Das war total intensiv. Ich bin dadurch mutiger geworden und möchte jetzt kämpfen, um eine Lehrstelle zu finden“, sagt Filiz.

Auch RAZ-Betreuerin Karin Sanders zieht ein positives Fazit: „Die Jugendlichen haben es genossen, so intensiv geschult zu werden.“ Ihrer Meinung nach kann eine Schule das kaum leisten. Frauke Schüdde-Schröter vom LIS geht sogar noch weiter. Sie glaubt, nur freie Träger könnten überhaupt eine solch effektive Berufsberatung und weitgehende Betreuung anbieten.

Die werden Filiz und Kübra noch einmal in Anspruch nehmen. „Dass man noch einmal besprechen kann, wie die Bewerbung gelaufen ist und was man verbessern könnte“, sagen beide. Gestern gingen sie schon mit einer fertigen Bewerbungsmappe nach Hause. Und mit einem großen Lob von Bildungssenator Lemke. Der fragte jeden einzelnen nach Berufswunsch, Zeugnislage und Zukunftsplänen. Er bekam bodenständige Antworten: Die Schule weitermachen, Bürokauffrau oder KFZ-Mechaniker werden. Die kommentierte der Senator mit Motivationssätze wie: „Ihr seid gut, ihr habt Stärken. Wenn ihr schließlich eine Lehrstelle oder einen Schulplatz findet, ist das Geld gut investiert.“

Im Notfall will er selber helfen: „Wenn das mit der Floristin nicht klappt – ich kenne viele Blumenläden, die jemanden wie dich einstellen würden.“ Die Zehntklässlerin Filiz aber will es lieber alleine schaffen.

Tina Groll