EDITORIAL VON JAN FEDDERSEN
: Die Welt ist eine gute

Krise ist ja irgendwie immer. Ist das nicht gut so – ein Moment des Vielleicht-Neuen?

Wer in der zweiten Person Plural appelliert, will nicht anregen, sondern ein Fanal setzen. Wer die Ansprache „Fürchtet euch nicht!“ wählt, will sich im selbstwohligen Gefühl der Eingeweihtheit erhöhen. Von oben herab, aus der Perspektive des Sternenhimmels etwa, ist gut predigen. Nützt nur nix. Wer auffordert, denkt das Scheitern des Appells notgedrungen mit: Was ist, wenn niemand mitmacht?

Apokalyptiker denken so und skizzieren in ihren politischen Reden stets das Bild von einer Welt, die schlecht ist und gut werden soll. Religiöses kommt so daher, auch Endzeitphilosophisches. Sprachformeln wie „immer mehr …“ oder „zunehmend …“ (die Krise, die Welt, die Menschen, die Zukunft) verraten die innere Tragödie: Da will jemand warnen und findet keinen Widerhall.

Mögen die einen von heute Abend an Weihnachten feiern oder Tage, die festlich sind, einfach, weil man an freien Arbeitstagen zur Ruhe kommen kann. Ob diese Tage nun religiös begangen (oder bestritten) werden oder nicht, es sind nun mal die Tage des Familiären, ihrer Vergewisserung und ihrer Erneuerung. Wer will, kann in der biblischen Erzählung von Josef, Maria und Jesus die erste aller queeren Familien erkennen. Oder auch nicht. Wer kann schon gegen Besinnliches etwas einwenden?

Die meisten Texte in dieser, Ihrer taz widmen sich dem Thema „Erfindung“. Die Welt bessern, die Nachbarschaft oder wenigstens die eigene Familie oder, möglicherweise am schwierigsten (und unwichtigsten), sich selbst.

Könnte sein, dass die Spiritualität des Erfinderischen – Ernst Bloch mal neu quergelesen – am ehesten trägt, um die Welt (wie groß sie auch immer sei) aus den Angeln zu heben. Krise ist ja irgendwie immer. Ist das nicht gut so – ein Moment des Unruhigen, des Vielleicht-Neuen in harten Zeiten?

Aber sind es wirklich harte Zeiten? Braucht es eine neue Regierung, ein neues Regieren, einen neuen Gesellschaftsvertrag, damit wir, um nur ein Beispiel zu nennen, die Energiewende und ihre Kosten bewältigen können? Und lässt sich nicht auch das sagen: Es lohnt sich jede Mühe, politisch dicke Bretter zu bohren, die von Linken so oft verachtete Haltung von Reformisten? Weil: Die Welt ward schon viel besser? Und lag es nicht gerade daran, dass jeder und jede sagen konnte, ohne appellativ behelligt zu werden: Wir fürchten uns nicht?

Ihnen feine Festtage. Machen wir etwas daraus!