Hausbesuch Katzenhotelbesitzerin wird man zufällig. So wie Ellen Ruchay-Beks. Wäre ihr Mann damals nicht zur Mülltonne gegangen, sie hätte diese Geschäftsidee wohl nicht gehabt. Jetzt hat sie alles außer Langeweile
: Katzen sind nicht banal

In Ellen Ruchay-Beks’ Familie hieß es, sie gebe zu viel Geld für Pferde aus. Da hat sie auf Katzen umgesattelt

von Luciana Ferrando
(Text) und Piero Chiussi (Fotos)

Zu Besuch bei Ellen Ruchay-Beks in Buckow, Berlin-Neukölln.

Draußen: Auf der Rudower Straße geht es hektisch zu. Zwei Seitenstraßen weiter ist es wie im Urlaub: Häuser mit Gärten, Magnolien, Löwenzahn, Vogelgezwitscher, frisch gemähtes Gras. Im Hintergrund das Rauschen der großen Straße als Meer.

Drin: Bono, ein riesiger Straßenhund, begrüßt die Besucher. Das Wohnzimmer ist überladen mit Souvenirs und Figuren mit Katzen- und auch Kamelmotiven; an den Wänden hingegen hängen melancholische Ansichten holländischer Landschaften – Ruchay-Beks’ Heimatland. Das Untergeschoss des Hauses ist Katzengebiet. Dort ist das Katzenhotel, das die 61-Jährige seit 14 Jahren betreibt.

Wer ist sie? In Hilversum bei Amsterdam ist sie geboren – „als Nesthäkchen“ der fünf Geschwister. Ihr Vater, Rechtsanwalt, war ein „Katzen-Mensch“. Vielleicht wollte sie deshalb Tierärztin werden. Doch nach der Schule bewirbt sie sich – leidenschaftliche Leserin auch – als Bibliotheksassistentin und bekommt die Stelle. „Wenn ich nicht mit Tieren zu tun hatte, hatte ich die Nase in einem Buch.“ 1976 lernte Ruchay-Beks ihren ersten Mann, einen Deutschen, kennen und ließ alles zurück, um nach Berlin zu ziehen. „Eine Fernbeziehung kam für mich nicht infrage“. Am Anfang arbeitete sie als Buchhändlerin, nach der Geburt ihres ersten Kindes 1983 beschloss sie, zu Hause zu bleiben.

Faibles:Lesen wie früher könne sie sich nicht mehr leisten. Sie arbeite „24/7“ – also rund um die Uhr die ganze Woche – ohne Aushilfe. Ihr Arbeitspensum hat auch mit den anderen Projekten zu tun: dem zweites Katzenhotel, das sie mit ihrem dritten Mann in Rangsdorf in Brandenburg aufgemacht hat, und dem alten Bauernhof, der noch renoviert werden muss. Eine Woche im Jahr fährt sie in Urlaub – immer mit ihren drei Schwestern. „Nie wieder, sage ich jedes Mal.“

Tiere: In den 90er Jahren war sie in der Sahara unterwegs. Da lernte sie Kamele lieben und fing an, Kamelfiguren zu sammeln. Mit dem Deutschen Pferdeverband war sie dort: Sie hat bis 2002 arabische Pferde gezüchtet. Diese Zeiten seien vorbei, heute hat sie nur noch ein Pferd, in Brandenburg, „Gaza“ heißt es, nach dem Gazastreifen.

Im Katzenhotel

Langeweile: Nachdem sie zweifache Mutter war, viel Zeit zu Hause hing, ihr Mann war Polizeibeamter, fiel ihr die Decke auf den Kopf. „Ich habe mich zu Tode gelangweilt.“ Um sich abzulenken, machte sie alles: auch Hundepflege für verreiste Freunde. Als ihr Mann krank wurde und 1990 an Krebs starb, war die Langeweile weg, aber die Traurigkeit da. „Die Kinder waren traumatisiert.“ Irgendwann kam die Langeweile wieder. „Nachdem ich meinen zweiten Mann eines Tages zur Biotonne geschickt hatte, ist mir eingefallen, dass ich eine Katzenpension eröffnen könnte.“ Damals hieß es in der Familie, sie gebe zu viel Geld für Pferde aus. Da hat sie auf Katzen umgesattelt. Sie bereue nichts: „Ich habe eine Familie und ich bekomme Geld, um Katzen zu streicheln.“

Katzenhoteldramen:Einige un­schöne Episoden blieben ihr nicht erspart. Sie erzählt von einer schwerkranken Kundin, die verreiste, um die Hochzeit ihrer Tochter noch zu erleben und die Katze zu ihr brachte. „Aber die zuckerkranke Katze hatte bei mir einen Zuckerschock und starb.“ Die Frau sei dann selbst bald gestorben.

Böse Geschichten über sie werden auch erzählt. Nach einem Streit veröffentlichte eine Nachbarin Kommentare im Internet. „Sie schrieb, mein Haus wäre schrecklich, ich würde nach Alkohol riechen, es gebe eine tote Katze im Zaun.“ Es sei ihr nicht richtig gelungen, sie zu diffamieren, meint Ruchay-Beks. „Jetzt betreibt sie anonyme Hetze im Netz, was ich primitiv ohne Ende finde“. Angst bereitet ihr das nicht, Sorgen schon. Sie habe wegen des schlechten Rufs immer weniger Katzen zu betreuen.

Happy-End-Storys mag Ruchay-Beks lieber, und deshalb erzählt sie von den Katzen, die sie aus einer Messi-Familie „gerettet“ habe. In Sachen Tiere habe sie ein Händchen für Heldentaten. Für Vogelschutz setzt sie sich auch ein.

Was denkt sie? Katzen findet sie nicht banal. Banal sind für sie Äußerlichkeiten: „Einen Menschen auf sein Aussehen zu reduzieren ist unerträglich.“ Ob sie ihr eigenes Leben interessant finde? „Oh“, sagt sie und überlegt lange. „Nein, nicht sonderlich.“ Und sind Katzen nicht ganz schön kitschig? Ja, es gebe aber verschiedene Kitschniveaus: „Übertriebener Kitsch muss bei mir nicht sein. Ein bisschen Kitsch ist schon okay.“

In der Katzenkitschzone

Sehnsucht: Ruchay-Beks sehnt sich nach Harmonie. „Berlin ist mir zu laut, dreckig und aggressiv geworden.“ Sie träumt davon, nach Rangsdorf zu ihrem Partner zu ziehen. „Dort ist es richtig grün und es gibt Hunderte Kraniche, die unser Dach überfliegen und in der Nähe nisten.“

Das Politische? Das sei im Alltag zu finden.

Und was hält sie von Merkel? „Leute verhungern zu lassen wäre unmenschlich, Menschen in Not zu helfen ist eine Pflicht.“ Man könne stolz auf die Kanzlerin sein, aber nicht zu stolz.