BRANDENBURG UND BERLIN Wie geht es weiter mit Rot-Rot? In Brandenburg hilft die SPD der Linken nach den jüngsten Stasi-Fällen bei der Vergangenheitsbewältigung. In Berlin greift die Linke den schwächelnden Sozis bei sozialen Themen unter die Arme

„Wir wollen nicht, dass das Gasnetz in Berlin an eine Heuschrecke verkauft wird“

HARALD WOLF, WIRTSCHAFTSSENATOR

VON UWE RADA

Das Versprechen ist eindeutig: „Eine Verklärung der SED-Diktatur wird es mit dieser Koalition nicht geben.“ So erklären es SPD und Linke in Brandenburg in ihrem 55-seitigen Koalitionsvertrag. Und nun das: Erst wird die IM-Tätigkeit des Linke-Abgeordneten Gerd-Rüdiger Hoffmann bekannt, dann tauchen neue Stasi-Akten im Fall der linken Landtags-Vizepräsidentin Gerlinde Stobrawa auf. Ist die Koalition in Potsdam zu Ende, bevor Ministerpräsident Matthias Platzeck sein „Projekt der Versöhnung“ beginnen konnte?

SPD-Generalsekretär Klaus Ness hat eine klare Antwort: „Die Führung des Landesverbandes der Linken kehrt nichts unter den Teppich. Wenn das so bleibt, steht die Regierung.“ Darüber hinaus, meint der Platzeck-Vertraute, sei der Unterscheid der beiden Stasi-Fälle gravierend.

Anders als Hoffmann, den die Linke zum Verzicht auf sein Mandat aufgefordert hat, hat Gerlinde Stobrawa, die auch Bürgermeisterin von Bad Saarow ist, eine wissentliche Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit abgestritten. Zwar war eine IM-Registrierung unter dem Decknamen „Marisa“ schon 1990 bekannt. Stobrawa führte dies aber auf ihre damalige Funktion als stellvertretende Vorsitzende des Rates des Bezirks Frankfurt (Oder) zurück. Darüber hinaus nahm sie an Täter-Opfer-Gesprächen teil. Eine erste Überprüfung 1991 stufte Stobrawa als „Grenzfall“ ein. Ihr Mandat durfte sie behalten.

Inzwischen seien jedoch Zweifel aufgetaucht, ob Stobrawas Aussagen stimmen, sagt Linke-Landeschef Thomas Nord. Vor allem die von der Birthler-Behörde veröffentlichten Opferakten legen nahe, dass die Zusammenarbeit mit der Stasi enger war als bekannt. Mehrfach berichtet ein Stasioffizier unter Berufung auf „IM Marisa“ über ein weiteres Ratsmitglied des SED-Bezirks, der den Parteisekretär als „Arsch“ bezeichnet haben soll.

Stobrawa, die derzeit alle Ämter ruhen lässt, hat inzwischen den anderen Fraktionen im Landtag das Gespräch angeboten. Ein Termin mit der SPD ist für Dienstag anberaumt. Ob auch die CDU die Einladung annimmt, ist offen. Parteichefin Johanna Wanka, die am Samstag in ihrem Amt bestätigt wurde, warf Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) vor, dass Brandenburg als „Stasi-Land“ wahrgenommen werde. Beobachter halten es aber nicht für ausgeschlossen, dass bei der angestrebten Überprüfung aller Abgeordneter auch Oppositionspolitiker unter Stasi-Verdacht geraten könnten.

Eine solche Überprüfung wird nach Angaben der stellvertretenden Sprecherin der Birthler-Behörde, Helvi Abs, bis zu drei Monate dauern. Dass die neuen Akten im Fall Stobrawa bereits jetzt veröffentlicht wurden, gehe auf eine Presseanfrage zurück. Im Gegensatz zu SPD und Linken schließt Abs aus, dass der Stasi-Offizier die Berichte ohne Zuarbeit von Stobrawa verfasst hat.

Und was, wenn demnächst weitere Stasi-Fälle bei der Linken auftauchen? Linke-Chef Nord erklärt der taz, dass seine Partei jeden Fall genau prüfen werde. „Es besteht ja auch die Möglichkeit, dass da Politik gemacht wird.“ SPD-Generalsekretär Ness sieht das ähnlich, er spricht von teilweise hysterischen Reaktionen. Gleichwohl geht er davon aus, dass Gerlinde Stobrawa „nicht in ihre Ämter zurückkehren wird“.

Wann Rot-Rot in Brandenburg das Regieren anfängt, ist unklar. Für die letzte Landtagssitzung des Jahres rechnet die SPD mit einem Antrag, dass alle ehemaligen IMs ihr Mandat zurückgeben sollen – auch diejenigen, die nach der Wende offen mit der Vergangenheit umgegangen sind. „Dabei wurden die im Wissen um diese Vergangenheit gewählt“, sagt ein SPD-Mann. „Wer so agiert, befördert keine Aufklärung, sondern die Schlussstrichmentalität in der Bevölkerung.“

Die aber hat Rot-Rot im Koalitionsvertrag ausgeschlossen.

VON SEBASTIAN HEISER

■ „Gemeinsam sind wir stark“ lautet der Gedanke eines Antrags auf dem Berliner Linke-Parteitag, in dem eine Vertiefung der Zusammenarbeit der beiden rot-rot geführten Länder gefordert wird.

■ Die wichtigsten Konflikte aber sind ausgeklammert. In der Europapolitik stehen beide Länder zwar hinter der Oderpartnerschaft mit Polen. Während Berlin die Zusammenarbeit mit Stettin, Posen und Breslau ausbauen will, ist Brandenburg vor allem an der Kooperation mit der benachbarten Woiwodschaft Lubuskie gelegen.

■ Und das Thema Energiepolitik? Der Streit um die Braunkohle wird nicht einmal erwähnt. (wera)

Die Linke setzt sich im Berliner Senat inzwischen häufiger gegen die SPD durch. Für den Linken-Landesvorsitzenden Klaus Lederer ist das einer der Grüne, warum seine Partei gerade so gut abschneidet. Auf dem Landesparteitag am Samstag in Lichtenberg nannte er eine Reihe von Erfolgen der Koalition und fügte hinzu: „Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich daran erinnere, dass viele dieser Forderungen von uns bereits in den Koalitionsverhandlungen 2006 aufgerufen wurden, aber damals nicht durchgesetzt werden konnten.“ Inzwischen aber habe sich das geändert.

„Versprochen und nicht gebrochen, das ist doch auch unser Erfolg“, sagte Lederer. Dies sei „einer der Gründe dafür, warum wir augenblicklich so schlecht nicht dastehen“. Als Beispiele nannte er die Sicherung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors, die stärkere Unterstützung für die Freie Kulturszene, die individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, die Öffnung von Tempelhof und die Debatte um die Verlängerung der A 100.

Bei der Bundestagswahl hatte die Linke in Berlin einen knappen Vorsprung vor der SPD und war damit die zweitstärkste Kraft nach der CDU. In den nächsten Jahren will die Linke unter anderem damit punkten, dass sie sich für mehr staatlichen Einfluss auf strategisch wichtige Wirtschaftszweige einsetzt. Wirtschaftssenator Harald Wolf sagte, die Privatisierung der Wasserbetriebe sei ein „abschreckendes Beispiel“. Es könne nicht sein, dass die Berliner über die gestiegenen Wasserpreise dafür zahlen, „dass in den Konzernzentralen von Veolia und RWE Champagner geschlürft werden kann“. Die Konzerne hatten vor zehn Jahren knapp die Hälfte der Anteile an den Wasserbetrieben übernommen. Obwohl das Land also noch die Mehrheit hat, sei sein Einfluss wegen nachteiliger Klauseln in den Verträgen aber begrenzt, sagte Wolf.

Auch bei der Gasag denkt Wolf an einen Rückkauf: Man müsste ein Interesse daran haben, dass das Gasnetz in Berlin nicht irgendwann an eine Heuschrecke verkauft wird „und dann nicht mehr in das Netz investiert wird“. Mit einem landeseigenen Energieversorger könne das Land Ökoenergien fördern – gern auch gemeinsam mit Brandenburg. Auch über den Kauf der S-Bahn, die seit Monaten nicht mehr ihren Fahrplan einhält und von einer Krise in die nächste fährt, sollte man diskutieren, so Wolf.

Die Delegierten stimmten diesem Kurs zu. Auch bei strittigen Punkten hatte der Vorstand stets eine große Mehrheit hinter sich. So scheiterte etwa der Antrag aus dem Bezirksverband Neukölln, der sich gegen die Diätenerhöhung für die Abgeordneten um etwa zehn Prozent aussprach. Landesgeschäftsführer Carsten Schatz hielt dagegen: Es sei ein grundlegendes Recht von Abgeordneten, eine Entschädigung zu erhalten, die ihre Unabhängigkeit sichere. Dies sei historisch von der Arbeiterklasse erkämpft worden gegen den Widerstand jener, die es sich leisten konnten, unbezahlt im Parlament zu sitzen. Die Delegierten lehnten den Antrag dann auch mit großer Mehrheit ab.

Sorgen macht die Linke sich allerdings um den Koalitionspartner. „Uns kann nicht daran gelegen sein, dass die SPD in solch einer Verfassung ist“, sagte der Fraktionsvorsitzende Udo Wolf. Die rot-rote Koalition habe in den Umfragen derzeit keine eigene Mehrheit. Um die SPD zu stabilisieren, will Wolf ein wichtiges Projekt gemeinsam mit den Sozialdemokraten vorantreiben: „Ich schlage vor, die Wohnungspolitik zu diesem Thema zu machen.“