Vorsicht, Demokratie!

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Viele seltsame Volten haben die Verhandlungen um den Muslim-Staatsvertrag in Niedersachsen schon genommen. Aber besonders bizarr ist die von der Staatskanzlei in Hannover vergangene Woche artikulierte „Irritation“ – weil ihr Anlass ein Akt der Rechtstreue war: Die Schura hatte auf ihrer Jahreshauptversammlung am Samstag, wie es ihre Satzung im Einklang mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch fordert, einen neuen Vorstand bestellt. Zum Vorsitzenden wählte sie ihren bisherigen Geschäftsführer Recep Bilgen, einen 45-jährigen Ingenieur aus Hannover und Angehörigen der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG).

Als sie das am Dienstag kapiert hatte, war die Landesregierung ganz aus dem Häuschen: Vor diesem Hintergrund sei „nicht zu erwarten, dass die Vereinbarungen kurzfristig unterzeichnet werden“, so Regierungssprecherin Anke Pörksen. Denn auch wenn der Vertrag, seit Dezember unterschriftsreif, vom Parlament diskutiert und vom wissenschaftlichen Dienst des Landtags geprüft ist und quasi für ewig gelten soll – dass erstmals seit 2006 der Schura-Vorsitzende nicht Avni Altiner heißt, ändert natürlich alles. Es sei „immer ein Hemmnis, wenn ein Partner komplexer Vertragsverhandlungen auf der Zielgerade seine Führungsspitze austauscht“, kritisierte Pörksen derart demokratische Verhältnisse grundsätzlich. Und auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel rügte den Wahlausgang.

Wenig Verständnis für derartige Wortmeldungen zeigte Recep Bilgen. Wenn die Regierung den Vertrag infrage stellen wolle, „könnte sie dafür auch den Abstieg von Hannover 96 als Vorwand nutzen“, sagte er. Am Donnerstag hat sich Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) doch noch dazu bekannt, den Vertrag noch dieses Jahr unterzeichnen zu wollen. bes