piwik no script img

Land in Sicht

BODENHAFTUNG Agrarflächen sind vielerorts zum teuren Handelsgut geworden. Großbetriebe sind dabei im Vorteil. Doch Genossenschaften engagieren sich, damit Landwirte auch künftig Zugang zu bezahlbarem Ackerland bekommen

Kleinbetriebe müssen mit dem Ertragswert kalkulieren, der sich mit dem Boden landwirtschaftlich erzielen lässt Foto: Thomas Klaeber/transit

von Andreas Lohse

Boden ist nicht vermehrbar. Und Agrarflächen sind begehrt. Das mussten in den vergangenen Jahren Landwirte nicht zuletzt im Osten der Republik feststellen: Nach dem Mauerfall entstanden dort aus den vormaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) flächenstarke Privatbetriebe, weil Bundesbehörden die Ländereien der Einfachheit halber gleich großformatig auf dem Markt anboten, statt sie in kleine Losen aufzuteilen.

Auch finanzkräftige Agrarkonzerne sind in den letzten Jahren stark expandiert. So bewirtschaftet etwa die norddeutsche KTG Agrar SE konzernweit 45.000 Hektar (2011: 35.000 ha), davon nach Angaben des regionalen Bauernbunds rund 17.100 Hektar allein in Brandenburg. KTG erzielte 2014 einen Umsatz von 234 Millionen Euro.

Hinzu kommen weitere „auswärtige Kapitalanleger“, so der Bauernbund, die nach letzten vorliegenden Zahlen Ende 2014 allein in Brandenburg Flächen von insgesamt mindestens 111.800 Hektar besaßen. Darunter sind auch vormals branchenfremde Konzerne wie Lindhorst (Immobilien, Seniorenpflege) und Steinhoff (Möbel). Während KTG auf vielen Flächen selbst Nahrungsmittel produziert, nutzen andere die Ländereien oft für Maisanbau zur Verstromung in Biogasanlagen. Solche Unternehmen können deutlich mehr und größere Flächen kaufen als Kleinbetriebe, da diese mit dem Ertragswert kalkulieren müssen – also mit dem Wert, der sich mit dem Boden tatsächlich landwirtschaftlich erzielen lässt.

Dieses Phänomen prägte auch hierzulande den Begriff „Landgrabbing“ – bislang vor allem in Entwicklungsländern gebräuchlich für die illegitime Aneignung von Landflächen seitens durchsetzungsstarker Konzerne, einhergehend mit der Vertreibung der ländlichen Bevölkerung auf weniger fruchtbare Flächen. In Deutschland meint man damit vor allem den Entzug nutzbaren Bodens durch Großbetriebe. Kleinbetrieben bleiben kaum Expansionsmöglichkeiten, zumal Kauf- und Pachtpreise steigen.

Auch für Biolandwirte ist dies problematisch. Im Jahr 2010 wurden nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) 5,9 Prozent der Agrarflächen in Deutschland ökologisch bewirtschaftet, 2014 waren es nach Angaben des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft mit 6,5 Prozent nur wenig mehr.

Doch es gibt Initiativen, die sich genau dieses Problems annehmen. „Auf der einen Seite geben jedes Jahr zig Bauernhöfe in Deutschland auf, weil es keine Nachfolge gibt oder sich die Bewirtschaftung nicht mehr rechnet. Auf der anderen Seite wollen viele junge Landwirte gerne nach ökologischen Kriterien arbeiten – doch sie haben meistens nicht die Mittel für Hof und Land“, heißt es etwa im Konzept der Genossenschaft Bioboden. Die Initiative (Claim: „Ackerland in Bürgerhand“) wurde im April 2015 gegründet und feiert dieser Tage einjähriges Jubiläum. Sie erwirbt auf Nachfrage von Landwirten Flächen und verpachtet ihnen diese dauerhaft. Auflage: Bewirtschaftung nach den Grundsätzen eines Ökoanbaubetriebs.

Finanziert wird der Landkauf über Genossenschaftsanteile von mindestens 1.000 Euro. Mit der bisherigen Entwicklung sei man „sehr zufrieden“, betont Sprecherin Sophia Krebber. Immerhin wurden mehr als 1.900 Mitglieder gewonnen. Sie zeichneten 10.000 Anteile mit einem Kapitalzufluss von zehn Millionen Euro. „Das ist eine großartige Bestätigung der Arbeit von Bioboden.“

Bislang hat die Genossenschaft rund 500 Hektar Ackerfläche gekauft. An acht Partnerhöfe in vier Bundesländern wurde Land verpachtet – zwei weitere Betriebe wurden komplett übernommen. Die Genossenschaftsanteile sind im Übrigen die einzige Geldquelle der Organisation. Ein gewinnbringender Weiterverkauf von erworbenen Flächen sei ausgeschlossen, so Sophia Krebber.

Eine individuelle Rendite darf man als Mitglied bislang indes nicht erwarten und die Dividende ist eher symbolisch: Sicherung von Boden für den Biolandbau in Deutschland.

Ein ähnliches Modell bietet die im Januar 2015 gegründete Genossenschaft Ökonauten. Sie unterstützt nach eigenen Angaben „Betriebsgründungen, indem sie mit ihren Mitgliedern Land erwirbt und dieses Existenzgründern zur Verfügung stellt“. Die Ökonauten sehen sich als Bürgergenossenschaft und fördern die „Erzeugung von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln aus der Region“.

Bei der Zeichnung von Genossenschaftsanteilen zählt vor allem der ideelle Wert

Nach Angaben des Ökonauten-Sprechers Willi Lehnert läuft die Akquise neuer Mitglieder „sehr gut“. Viele Menschen „sind für das Thema Landgrabbing sensibilisiert und wollen dagegen aktiv werden“. Insgesamt haben bislang 71 Mitglieder 221 Anteile für mehr als 55.000 Euro gezeichnet.

Im August vergangenen Jahres wurde eine erste Fläche von 4,4 Hektar im brandenburgischen Velten, nördlich von Berlin, gekauft und an eine Junglandwirtin verpachtet. Dort sollen nun Walnussbäume wachsen und die Früchte später als Bioware vermarktet werden. Die Ökonauten sprechen nach eigenen Angaben „bewusst Konsumenten an, die sich über den Supermarkteinkauf hinaus mehr für die ökologische Landwirtschaft in der Region engagieren wollen“.

Bei der Zeichnung von Genossenschaftsanteilen zählt vor allem der ideelle Wert, eine monetäre Rendite ist nicht vorgesehen. Hauptziel der Ökonauten ist die Sicherung von Land, die Förderung von Existenzgründern und die Erhöhung des Anteils ökologischer Lebensmittel in der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg.

An der Genossenschaft kann man sich mit Anteilen zu je 250 Euro beteiligen, mindestens zwei Anteile sind erforderlich. Mittelfristig werden den Mitgliedern Lebensmittel bereitgestellt, die transparente Preisgestaltung soll alle Erzeugungskosten offenlegen. Hinzu kommen Hofführungen und Bildungsangebote.

Auch die Ökonauten verkaufen das erworbene Land nicht. Willi Lehnert: „Damit entziehen wir die Flächen dem Bodenmarkt und den üblichen Marktkräften.“ Landgrabbing der etwas anderen Art.

www.bioboden.de

www.oekonauten-eg.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen