ERFREULICHES BGH-URTEIL: DER STROMMARKT WIRD TRANSPARENTER
: Gericht stärkt Verbraucher

Mag sein, dass unabhängige Stromhändler künftig Rückforderungen gegenüber Stromnetzbetreibern durchsetzen können – der Bundesgerichtshof hat diese Möglichkeit jetzt immerhin eröffnet. Sicher sind Rückzahlungen jedoch noch keineswegs.

Denn der BGH hat lediglich die Beweislast umgekehrt. Das ist im Sinne eines transparenten Marktes viel wert, weil nun die Stromnetzbetreiber nachweisen müssen, dass die Preise, die sie für die Durchleitung des Stromes verlangen, angemessen sind. Bisher mussten hingegen die Stromhändler nachweisen, dass die Preise der Netzmonopolisten überhöht sind – ein hoffnungsloses Unterfangen. So ist das Urteil aus Verbrauchersicht zu begrüßen.

Es als „sensationellen Sieg“ hochzustilisieren, wie es der Bund der Energieverbraucher tut, dürfte jedoch etwas übertrieben sein. Denn in der Sache ist auch nach dem höchstinstanzlichen Richterspruch noch alles offen. Denn es wird auch im aktuellen Rechtsstreit zwischen dem Hamburger Stromhändler LichtBlick und der Mannheimer MVV Energie AG erst noch das Oberlandesgericht Karlsruhe die Kalkulation der MVV überprüfen und hernach angemessene Netzentgelte festlegen müssen. Und diese werden vielleicht niedriger liegen als jene Tarife, die die MVV in der Vergangenheit verlangte. Aber eben nur vielleicht.

Daher sollten Stromkunden noch nicht von flächendeckenden Strompreissenkungen träumen und gar mit der Rückzahlung bezahlter Beträge rechnen. Denn nicht nur im Fall der MVV, sondern überall im Land müssen nun erst die unteren Gerichtsinstanzen das BGH-Urteil in ihrer eigenen Rechtsprechung umsetzen. Dann dürften einigen Netzbetreibern geringere Netzentgelte abgefordert werden, während andere Unternehmen ungeschoren davonkommen. Aber das Ganze wird dauern, da in jedem einzelnen Netzgebiet ein separater Prozess geführt werden müsste.

Der BGH hat mit seinem Urteil also ermöglicht, dass die schwarzen Schafe im Strommarkt erkannt und zu realistischen Kalkulationen verpflichtet werden können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. BERNWARD JANZING