„Die Prämie für Esser war unzulässig“

Heute beginnt die Neuauflage des Mannesmann-Prozesses. Wirtschaftsprüfer Martin Sorg sieht das als Stärkung des Standorts Deutschland und erwartet eine Aufhebung der Freisprüche für Ackermann und Co. Die Zahlungen seien als Untreue zu werten

INTERVIEW CHRISTIAN RATH

taz: Herr Sorg, Ihre Kanzlei hat durch eine Strafanzeige das Mannesmann-Verfahren ins Rollen gebracht. Heute beginnt das Revisionsverfahren am Bundesgerichtshof (BGH). Wie wird es nach Ihrer Auffassung ausgehen?

Martin Sorg: Es spricht viel dafür, dass der BGH die Freisprüche für Josef Ackermann und die anderen Angeklagten, die die Millionenprämien an Mannesmann-Manager genehmigten, aufheben wird. Zumindest die These des Landgerichts, dass sich die Angeklagten in einem „unvermeidbaren Verbotsirrtum“ befanden, ist nicht haltbar.

Das Landgericht Düsseldorf ging davon aus, dass Ackermann, selbst wenn er gesucht hätte, im ganzen Bundesgebiet keinen Anwalt gefunden hätte, der ihn vor der Prämienzählung gewarnt hätte …

Das ist offensichtlich nicht richtig. Unsere Kanzlei hätte ihm gewiss erklärt, dass das Vorhaben rechtlich unzulässig ist. Und ich kenne viele Anwälte, die das damals auch für unzulässig, jedenfalls aber für riskant gehalten haben. Wenn hier ein Verbotsirrtum angenommen wird, würde ein Zwei-Klassen-Strafrecht geschaffen.

Die Verteidigung strebt für den Revisionsprozess eine völlige Rehabilitierung der Angeklagten an. Nach ihrer Auffassung waren die Prämienzahlungen absolut in Ordnung. Sie sehen das aber anders …

Der Vorstandsvorsitzende Esser und sein Vorgänger Funk haben ihre Pflicht erfüllt und sind dafür sehr gut bezahlt worden. Für zusätzliche, im Vertrag nicht vorgesehene Prämien bestand da kein Raum, zumal Funk bereits seit elf Monaten ausgeschieden war und Esser das Unternehmen verlassen wollte. Es gibt doch auch für einen Fußballer, der den Verein verlässt, keine dicke Extraprämie, mag er auch noch so erfolgreich gewesen sein.

Klaus Esser war ja noch einige Monate im Unternehmen. War es aus Firmensicht nicht sinnvoll, ihm eine Prämie zu zahlen, damit er die Integration von Mannesmann in Vodafone nicht sabotiert?

Das sehe ich nicht so. Neben der Prämie hat Esser ja noch eine Abfindung in Höhe von ebenfalls 30 Millionen Mark bekommen. Die hätte man ihm streichen können, wenn er sabotiert hätte. Das wäre für ihn Anreiz genug gewesen, seine vertraglichen Pflichten voll zu erfüllen. Die Prämienzahlung war und bleibt völlig aus Unternehmenssicht unzulässig und ist als Untreue zu Lasten von Mannesmann zu werten.

Hat dieser Strafprozess gegen führende Konzernmanager dem Finanzstandort Deutschland insgesamt geschadet?

Dieser Vorwurf war immer wieder zu hören, ich halte ihn aber für absurd. Die Unabhängigkeit unserer Justiz ist doch einer der Pluspunkte, die Deutschland im internationalen Standortwettbewerb noch verblieben sind. Das Mannesmann-Verfahren hat bewiesen, dass die Gesetze in Deutschland auch für Großunternehmen und für Top-Manager gelten. Das hat den Standort eher gestärkt.

Also muss es künftig häufiger solche Verfahren geben?

Ich hoffe nicht. Es nützt der Wirtschaft nichts, wenn hoch bezahlte Manager zwei Tage in der Woche auf der Anklagebank sitzen. Solche Strafverfahren müssen und werden die absolute Ausnahme bleiben. Deshalb war es auch so wichtig, dass das Mannesmann-Verfahren ein Umdenken in der Wirtschaft eingeleitet hat.

Inwiefern?

Die krasse Selbstbedienungs-Mentalität vieler Manager hat einen Dämpfer erhalten. Die Öffentlichkeit ist sensibilisiert, die Manager und die Aufsichtsräte sind es auch.

Sind wir in Deutschland nicht einfach nur ein wenig empfindlich? Solche Zahlungen, wie sie Esser erhalten hat, sind doch international üblich …

Es mag international, vor allem in den USA, vereinzelt Zahlungen in dieser Größenordnung geben. Aber man muss das Gesamtsystem betrachten. Im Ausland gibt es häufig eine strengere Haftung der Manager. Auch bei der Offenlegung der Bezüge ist man dort, im Sinne einer größeren Transparenz für die Aktionäre, weniger zimperlich. Man kann sich nicht nur die Rosinen herauspicken.