Muslime und Juden bedroht

VERGLEICHE Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime sieht Ähnlichkeiten zwischen AfD und NSDAP. taz-Autor Klaus Hillenbrand nennt das „dumm“

Aiman Mazyek: „Die AfD ist nicht grundgesetzkonform“ Foto: Wolfgang Borrs

Ausgrenzung

betr.: „Auch Muslime können erschreckend dumm sein“,taz vom 19. 4. 16

Wer angesichts dessen, was die AfD gerade vollmundig verkündet, eine Linie zu Hitlerdeutschland zieht, ist nicht dumm, weil diese Linie schon viele andere vor ihm aus fadenscheinigen Gründen gezogen haben. Und dieser Vergleich ist auch nicht dumm, selbst wenn den Zentralrat der Muslime eine Relativierung des Holocausts dazu bewogen haben sollte, was zunächst mal eine Unterstellung ist. Im Gegenteil: Es wird endlich Zeit zu begreifen und laut auszusprechen, dass in unserem Land das greift, was Soziologen shiftling baselines nennen.

Seit Monaten wird über den Islam berichtet in der Sprach- und Gedankenabfolge: Islam – Terror – Bedrohung! Eine Kette, die natürlich bestens und aus guten Gründen greift. Noch erregen sich die Gemüter, weil eine ganze Religion von einer bei uns zugelassenen Partei geächtet wird. Hinter vorgehaltener Hand werden schon jetzt viele zustimmen. So wie es eine wachsende Zahl von Verwüstungen auf jüdischen Friedhöfen gibt, nehmen die Schmierereien an muslimischen Gotteshäusern zu. Es erregt nicht wirklich größere Menschenmengen, ebenso wenig wie die Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und das Dahinvegetieren von Tausenden im Schlamm in Idomeni und anderswo.

Die Ausgrenzung von Menschen, egal ob sie einer Religion angehören oder nicht, ist alltagstauglich geworden. Shifting baselines eben.

HILDEGARD MEIER, Köln

Opfer Muslime

betr.: „Auch Muslime können dumm sein“, taz vom 19. 4. 16

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime hat festgestellt, „dass es zum ersten Mal seit Hitler Deutschland eine Partei gibt, die eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiert und sie existenziell bedroht“. Was ist daran falsch? Es ist in der Tat so, dass es in der Nachkriegsgeschichte bisher keine Partei gegeben hat, die so offensiv gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe hetzt. Selbst die NPD, auf die der Kommentator ja Bezug nimmt, hat sich das in den sechziger Jahren, als die Gefahr ihres Einzugs in den Bundestag bestand, nicht getraut. Das ist schon ein tiefer Einschnitt.

Natürlich werden Muslime heute bei uns nicht so verfolgt wie die jüdische Bevölkerung im Dritten Reich. Hat aber keiner gesagt. Aber ein Anfang ist gemacht, das scheint der Kommentator nicht so wirklich ernst zu nehmen. Diese Verharmlosung ist das eigentlich Schlimme.

Es passieren heute viele Dinge in Deutschland, die ich mir vor wenigen Jahren nicht habe vorstellen können. Und niemand kann heute sagen, wohin der Rassismus der Rechten uns diesmal führt. Deswegen ist es völlig richtig – und in diesem Konflikt sind die Muslime in der Tat die Opfer –, dass die Betroffenen auf die substanzielle Bedeutung der Forderungen der AfD hinweisen.

Schäbig wird der Kommentator mit der Aufzählung am Ende seines Pamphlets. Damit dokumentiert er, dass er die reale Gefahr der Hetze auf Minderheiten nicht ernst nimmt. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen religiösen Strömungen, wie wir das von der taz gewohnt sind, muss Konflikte benennen.

HELMUT ZACHAU, Bremen

Nazisprech

betr.: „Auch Muslime können dumm sein“, taz vom 19. 4. 16

Herr Gauland bezeichnet „den Islam“ in bestem Nazisprech als „Fremdkörper“ („im deutschen Volkskörper“ darf man sich dazudenken). Er und Frau von Storch sehen „eine politische Ideologie“, die sich nur als Religion tarne. Gleiches wird von Antisemiten dem Judentum unterstellt; Weltverschwörung statt Religion. Mit der Bezeichnung als „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“ wird die Möglichkeit eines Verbots ins Spiel gebracht. Auf die ebenso unsinnigen wie unmenschlichen heutigen Verbotsforderungen der AfD kann da noch beliebig draufgesattelt werden. Da ist es absolut zutreffend festzustellen, dass „eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiert und existenziell bedroht“ wird. Diesen Kommentar hätte ich mir von der taz gewünscht.

Stattdessen erregt sich Klaus Hillenbrand über einen „Nazi-Vergleich“, der keiner ist. Herr Mazyek konstatiert nur den Verfall demokratischer Kultur. Er spricht nicht von der Wiederkehr der NSDAP in Gestalt der AfD. Aber er ist, wie ich, entsetzt! über das Recycling des deutschnationalen Antisemitismus als Islamophobie.

Übrigens fordert die Kinderrechts- und Tierschutzpartei AfD ja ein Verbot männlicher Beschneidung und des Schächtens, praktisch zwei Fliegen mit einer Klappe. Müssen denn immer die Muslime darauf verweisen, dass sie keiner Monsterreligion anhängen, sondern denselben Prinzipien folgen wie Juden und Christen? Um dann, wieder einmal, damit nicht durchzudringen? Es werden massenhaft Brandanschläge auf Moscheen verübt, muslimische Organisationen und Gemeinden erhalten wie jüdische körbeweise namentlich gezeichnete Drohbriefe. Das nimmt die deutsche Gesellschaft hin.

Es ist höchste Zeit für eine Reaktion der deutschen Gesellschaft, die klarstellt, dass Muslime und der Islam zu Deutschland gehören. Deutschnationale Hassprediger leider auch, aber dann muss ihnen auch mit der nötigen Schärfe und Eindeutigkeit begegnet werden.

MARTIN SCHWARZBACH, Hamburg

Richtiger Vergleich

betr.: „Auch Muslime können dumm sein“, taz vom 19. 4. 16

„Dummheit, schief, krumm, blödsinnig, gefährlich …“ Klaus Hillenbrand sollte sich vielleicht mal wieder beruhigen. Selbstverständlich hat Aiman Mazyek recht: Vor dem eliminatorischen Antisemitismus gab es die vorbereitende Hetze. In der Gesellschaft in Schmuddelecken in Wien und anderswo, subkutan auch im nationalkonservativen Milieu vorhandene, antisemitische, mentale Geschwulste wurden bewusst zum Wuchern gebracht und in der Gesellschaft verbreitet: Der Bodensatz trug später den sicher unvergleichbaren (und unfassbaren) industriell organisierten Genozid.

Dieses vorbereitende Aufblasen von devianten, ja wahnhaften Haltungen und nicht die barbarische Ausführung der Destruktion spricht Herr Mazyek an. Und da passt der Vergleich und ist in richtiger Weise geschichtsbezogen. Sind denn die Brandanschläge auf zum Teil bewohnte Unterkünfte für Geflohene keine Pogrome? Reproduzieren das hasserfüllte Gerede der ornithologischen Mirabilität an der Spitze der AfD vom Schusswaffengebrauch gegen fliehende Menschen und nun die zunächst verbale Ausgrenzung des Islams nicht vergleichbare Haltungen unter anderem der Geheimen Staatspolizei? Jedenfalls verletzt Herr Mazyek in keiner Weise die Würde von Opfern.

RAINALD SIMON, Amöneburg

Richtige Erkenntnis

betr.: „Inhaltlich blödsinnig“, taz.de vom 18. 4. 16

Es ist die richtige Erkenntnis, die nach Diktatur strebende AfD als vergleichbare Gefahr für Demokratie, Freiheit, Religion …zu bezeichnen, wie damals die NSDAP. Es ist das gleiche System – zu beobachten in Russland, Ungarn, Polen, Türkei – wie damals unter Hitlers NSDAP, und es ist eine unverschämte Verharmlosung dieser Terrorherrschaften, die bloßgestellt gehören.

SELBSTDENKER, taz.de