Stadtgespräch
: Vorbild Putin

In Chinas Territorialstreit mit den Meeresnachbarn wird der Nationalismus allmählich lauter

Felix Lee aus Peking

Eigentlich kann sich die chinesische Führung entspannt zurücklehnen. Denn im Streit mit den Nachbarländern um die Inseln und das Südchinesische Meer spielt die Zeit für die immer mächtiger werdende Volksrepublik. Chinas Militär schüttet Sandbänke und aus dem Wasser ragenden Felsbrocken mit Zement auf. Es baut Hafenanlagen, Landebahnen und errichtet ganze Städte.

Die Anrainerstaaten protestieren zwar heftig. Und ab und zu düsen US-Kampfjets nicht nur über die Inseln, sondern fliegen bewusst provozierend auch mal durch chinesischen Luftraum. Die USA wollen zeigen, dass sie auf der Seite ihrer Verbündeten stehen: Japan, Taiwan, Philippinen. Doch auf eine ernsthafte militärische Konfrontation mit China legt es keiner an – auch nicht die USA. Mehr als die Hälfte der weltweiten Containerschiffe verkehren durch das Südchinesische Meer. Und sosehr auch die US-Amerikaner das Gewässer als strategisch wichtig erachten – China kann seine Vormachtstellung in dieser Region immer weiter ausbauen.

Aber dennoch kochen in China die Gemüter hoch, sobald es um den Inselstreit geht. Die meisten Stimmen kritisieren aber gar nicht so sehr das aggressive Verhalten der chinesischen Führung in dem Konflikt. Im Gegenteil, viele halten die Regierung in Peking für zu lasch.

„Schäm dich, Xi Jinping“, war schon im vergangenen Jahr ein viel gelesener Blogeintrag übertitelt. Der Autor mit dem Namen Tian Ye verglich den chinesischen Staats- und Parteichef mit dem russischen Präsidenten. „Nimm dir ein Beispiel an Putin“, schrieb er auf dem populären Mikroblogdienst Sina Weibo. Der habe sich die Krim einfach genommen. „Das traut sich China nicht.“ Nachdem der Eintrag millionenfach geklickt wurde, ließen die Zensurbehörden ihn löschen.

Doch nun taucht in den Staatsmedien unterschwellig immer wieder der Vorwurf auf, der chinesischen Führung fehle es in dem Konflikt an Entschlossenheit. Als Anfang des Jahres zum wiederholten Mal eine US-Fregatte durch das umstrittene Territorium kreuzte, nannte die für ihre nationalistischen Positionen bekannte Zeitung Global Times das Manöver der Amerikaner „eine politische Show“. China habe zwar kein Interesse an einem bewaffneten Konflikt. Washington müsse dennoch entschieden gezeigt werden, dass China „keine Angst hat, einen Krieg mit den USA in der Region zu führen“.

Die Militärzeitung People’s Liberation Army Daily zog in einem Leitartikel Parallelen zu Einsätzen der Amerikaner in Afghanistan und im Irak. Die USA stifteten überall dort Chaos, wo einst Stabilität geherrscht habe. Auch diese Zeitung forderte Peking zu einem entschlossenerem Vorgehen auf.

Im chinesischen Internet finden sich zwar auch Stimmen, die zu mehr Mäßigung in der Debatte aufrufen. Der Tenor geht aber in eine ähnliche Richtung. „Natürlich gehört das Südchinesische Meer zu China“, schrieb Liang Yi, eine junge Bloggerin, die sich gerne über die chinesische Außenpolitik auslässt. „Trotzdem verstehe ich nicht, warum die Philippinen und Vietnam sich an den Internationalen Gerichtshof wenden, China sich jedoch ziert.“

Die USA, die EU-Staaten und auch die meisten südostasiatischen Staaten fordern schon seit Langem, dass der Interna­tio­nale Gerichtshof in Den Haag gemäß der UN-Seerechtskonvention darüber entscheiden soll, ob Chinas Territorialansprüche rechtens sind oder nicht. Diese Konvention hat auch China unterzeichnet. Mit einem Urteil wird im Juni gerechnet. Die Regierung in Peking hat bereits angekündigt, dass sie den Beschluss nicht anerkennen wird. Sie beruft sich auf historische Karten aus der Ming-Dynastie (1368 bis 1644).

An dieser Sicht hält auch Bloggerin Liang Yi fest: „Das Urteil wird doch zugunsten Chinas ausfallen.“