hört die neuesten Platten aus Berlin

Thomas Winkler

On- oder Offbeat? Was bloß eine schlichte Entscheidung zwischen zwei Rhythmuskonzepten zu sein scheint, das kann sich leicht zur grundsätzlichen Frage auswachsen, die Lebensführung, Ernährungsgewohnheiten und sogar Bekleidungsfragen betrifft. Nehmen wir – nur mal als Beispiele – The Offenders und Channel X. Beide brin- gen Menschen zum Tanzen, aber die einen machen es mit Ska, die anderen mit Electro. Die einen brauchen eine Band und viel Bier, die anderen einen Laptop und Designerdrogen. Die einen tragen Hosenträger und zeitlose Polo-Hemden von Fred Perry, die anderen kommen bei einem Label heraus, das zugleich eine Modemarke ist.

Dem Sänger der Offenders hört man auch auf „Lucky Enough To Live“ zwar noch deutlich an, dass die Band vor drei Jahren aus Italien nach Berlin umgezogen ist. Ansonsten aber orientiert sich der Ska-Rock des Quartetts auf ihrem vierten Album an den klassischen britischen Vorbildern, allen voran The Clash, die den Offbeat aus Jamaika in den späten siebziger Jahren adaptierten und ihm eine Punk-Infusion verpassten. Es geht also immer flott voran, wenn auch nicht geradeaus, sondern im wohlbekannten Hoppelrhythmus. Auf die Bläser allerdings verzichten die Offenders ebenso wie auf jeden Anflug eines schunkeligen Bacardi-Feelings. Sommer, Sonne und Strand wären auch ziemlich unpassend, schließlich huldigen die Offenders nicht erst, seit sie einen kleinen Hit mit einem Song namens „Hooligan Reggae“ gelandet haben, den alten, vermeintlich unpolitischen Idealen der ersten Skinheads. Auch auf „Lucky Enough To Live“ feiern sie wieder das harte, aber ehrliche Leben auf der Straße, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass auch der klassische, nazi-freie Skinhead-Lifestyle längst zum Klischee erstarrt ist.

Für Channel X dagegen ist die Straße nicht Lebensraum, sondern vornehmlich praktischer Transportweg zum nächsten Club. Den füllen sie dann so lange mit ihren pumpenden Beats, irisierenden Vocal-Samples und warmen Keyboardflächen, bis der Dancefloor gut besetzt ist. Auf ihrem zweiten Album „Wonderland“, das auf Oliver Koletzkis Mode-und-Musik-Label Stil vor Talent erschienen ist, klingt das zwar mitunter etwas steril, da können die Soulstimmen noch so schön stöhnen. Aber, das gilt bei allen Unterschieden sowohl für Channel X als auch für die Offenders: Wichtig ist aufm Platz, der hier Tanzboden heißt.

■ The Offenders: „Lucky Enough To Live“ (Destiny/Broken Silence), Record Release Party am 29. 12. im Clash

■ Channel X: „Wonderland“ (Stil vor Talent/Rough Trade), 27. 12. Festsaal Kreuzberg