Wenig für viele oder viel für wenige?

GELD Der Bundesgerichtshof entscheidet, ob die Verwertungsgesellschaft Wort neben AutorInnen auch weiterhin Verlagen Tantieme zahlen darf. Kippt die Praxis, fürchten kleine Verlage um ihre Existenz

Schön wär’s, wenn das Geld so rieseln würde wie diese Buchstaben Foto: Esthermm/getty

von Daniel Bouhs

Bis vor ein paar Jahren, als das Geld noch nicht größtenteils automatisch auf die Konten floss, bildeten sich einmal im Jahr vor den Kassenschaltern deutscher Bankfilialen lange Schlangen. Die Menschen davor sahen meist glücklich, manche gar regelrecht erleichtert aus. Sie alle hielten in ihren Händen weiße Zettel. Erfahrene BankerInnen wussten sofort: Die Verwertungsgesellschaft Wort hatte wieder AutorInnen per Scheck mit den Urheberrechtsabgaben versorgt, die die VG Wort im Auftrag der UrheberInnen einzieht und die im Kaufpreis vieler Elektrogeräte, etwa von Druckern und Scannern, stecken.

Seit jeher geht ein großer Teil dieser Tantiemen auch an Verlage. Die bangen allerdings um den steten Geldfluss: Ein Münchner Urheber nimmt das über Jahrzehnte etablierte Modell nicht länger hin. Zwei Gerichte haben ihm bereits recht gegeben, an diesem Donnerstag will nun auch der Bundesgerichtshof entscheiden.

Die Sache könnte zwar noch eine Instanz höher gehen, doch grundsätzlich darf sich der Kläger durchaus Hoffnung machen – vor allem, da der Europäische Gerichtshof im ähnlich gelagerten sogenannten Reprobel-Verfahren entsprechend geurteilt hat. Das weiß auch die VG Wort. Sie hat längst gut 90 Millionen Euro zurückgestellt und die Verlage vor Rückforderungen gewarnt.

„Auch Verlage haben einen Schaden daran, wenn Werke, die sie produziert haben, vervielfältigt werden“, mahnt der geschäftsführende Vorstand der VG Wort, Robert Staats, und erinnert: Verlage bekommen von den Abgaben etwas ab, die auch bei der Nutzung von Kopierern etwa in Universitäten und Copy-Shops anfallen, weil das die Mitgliederversammlung entschieden hat, in der AutorInnen und VerlagsvertreterInnen gemeinsam sitzen. „Als das festgelegt worden ist, haben die Autoren mitentschieden.“ Außerdem habe die Bundesregierung dieses kooperative Modell immer gutgeheißen.

Die Richter prüfen, ob das auch nach dem aktuellen Urheberrecht zulässig ist. In der Verlagsszene heißt es: Viele Kleinsthäuser, etwa Ein-Mann-Unternehmer, bangen um ihre Existenz. So wie die VG-Wort-Schecks einzelnen Autoren Erleichterung verschaffen, weil sie mit dem Geld überhaupt erst über die Runden kommen, sind die Anteile auch für den einen oder anderen Verlag essenzieller Teil seines Geschäftsmodells. Die Urheberrechtsvergütung sollen gar teils bis zu einem Drittel des Umsatzes ausmachen.

Die VG Wort hat vorsorglich gut 90 Millionen Euro zurückgestellt

Der Kläger, der Jurist und wissenschaftliche Autor Martin Vogel, weiß, wofür er streitet: Sein Vater war Journalist, die kinderreiche Familie mal in der Not. Er wisse, wie wichtig zusätzliche Einnahmen zu den oft eher überschaubaren Honoraren für AutorInnen seien. „Ich bin wirklich ein großer Freund der Bücher und vor allem auch der kleinen Verlage, die ja viel Literatur herausbringen, die das Kulturleben bereichern“, sagt Vogel. Aber die Frage sei doch, wem der Gesetzgeber den Anspruch auf Urheberrechtsvergütungen zugeordnet habe. „Und das sind eben eindeutig die Urheber.“

Eine Rückzahlung in Millionenhöhe wäre gewiss ein Geld­regen für die AutorInnen. Die Autorenschaft ist allerdings gespalten, es setzt sich sogar eine AutorInnen-Initiative für die Beteiligung kleinerer Verlage an den Vergütungen ein. Nach dem Reprobel-Urteil im vergangenen Herbst hatte der Börsenverein deshalb auch gewarnt, die Entscheidung „gefährdet das Miteinander von Autoren und Verlagen in der VG Wort“. Andere sprachen offen von der „Enteignung der Verlage“ und einem „Horrorszenario“, das heraufziehe.

Sollte der Rechtsstreit tatsächlich in Vogels Sinne ausgehen, bliebe Verlagen nur, für ein eigenes Vergütungsgesetz zu lobbyieren, also ein Leistungsschutzrecht, das Redaktion, Lektorat, Gestaltung und Marketing berücksichtigt. Aber ob es sich Kleinstverlage leisten könnten, auf ein mehrjähriges Gesetzgebungsverfahren zu warten? Das ist mindestens unwahrscheinlich.