Manitou ist tot

Nachruf Der Sozialdemokrat, langjährige Bremer Bürgermeister und Mostar-Koordinator Hans Koschnick ist gestorben

Hans Koschnick Foto: dpa

BREMEN | „Den großen Manitou“ nannten ihn die Bremer Genossen auf dem Höhepunkt seiner Macht – das ist 40 Jahre her. Am Donnerstag ist der langjährige Bremer Bürgermeister, der europaweit als Mostar-Administrator bekannt wurde, im Alter von 87 Jahren gestorben.

Hans Koschnick, im Bremer Arbeiterstadtteil Gröpelingen am 2. April 1929 als Sohn eines Drehers geboren, begann seine Karriere als kleiner Beamter und Gewerkschaftsfunktionär. Studiert hatte er nie.

Koschnick war eine Persönlichkeit mit großer Ausstrahlung. Bei seinen späteren Versuchen, die streitenden Bosnier, Serben und Kroaten im bosnischen Mostar an einen Tisch zu bringen, kam ihm das zugute. Koschnick spottete später, er habe dort eine halbe Leber versoffen bei dem Versuch, den Gesprächsfaden mit den Kroaten nicht abreißen zu lassen.

38 Jahre alt war Koschnick, als er 1967 Bremer Bürgermeister wurde. Das war die Zeit der Studentenunruhen, und in seiner Regierungserklärung bekannte er am 13. Dezember 1967, dass „die junge Generation und nicht nur die Studentenschaft von einer nicht unbeträchtlichen Unruhe über den Zustand unserer Gesellschaft befallen ist. Das ist auch meine Meinung. […] Wir müssen erkennen, dass die junge Generation […] recht hat...“

Kaum acht Wochen später saß in Bremen der sozialistische Schülerbund auf den Straßenbahnschienen, um gegen eine Fahrpreiserhöhung zu protestieren, die die Genossen im Senat beschlossen hatten. Koschnicks Polizeipräsident gab die Parole aus: „Draufhauen, Draufhauen, Nachsetzen“. Koschnick, hinter dessen rustikaler Außenhaut ein vorsichtiger, eher unsicherer Mensch steckte, fuhr am Tag der entscheidenden Demonstration nach Düsseldorf, um dort nachzufragen, wie man auf Studentenunruhen auf der Straße reagieren könnte. Seine Vertreterin, Annemarie Mevissen, musste zu der Protestversammlung vor dem Rathaus reden. Zwei Tage später bot Koschnick den Sprechern des Protests einen Kompromiss an. Die Defizite der Straßenbahn wurden aus der Staatskasse beglichen.

Bremen verdankt diesem Bürgermeister zwei wichtige politische Weichenstellungen: Koschnick setzte gegen Proteste in seiner eigenen Partei, die damals mit absoluter Mehrheit regierte, die Ansiedlung einer Betriebsstätte von Daimler Benz durch. Das Werk ist heute der größte industrielle Arbeitgeber Bremens.

Und in der Koschnick-Ära wurde die Bremer Universität gegründet. Da in der Bremer SPD niemand war, der den Gründungsprozess steuern konnte, erwarb sich die Bremer Uni schnell den Ruf als „rote Kaderschmiede“. In einem großen Kraftakt wurde später eine natur- und ingenieurwissenschaftliche Profilbildung durchgesetzt, mit der die Bremer Uni inzwischen als „Exzellenz“-Uni anerkannt ist.

Hinter der rustikalen Außenhaut steckte ein vorsichtiger, eher unsicherer Mensch

Wie den Streit um die Fahrpreiserhöhungen versuchte Koschnick auch die Probleme des Arbeitsmarkts als guter ÖTV-Mann immer wieder mit staatlichen Programmen zu lösen. Im Rückblick wurde ihm vorgeworfen, dass er den Bremer Staatsapparat aufgebläht habe. Als in den 1980er Jahren die Bremer Finanzkrise zum Thema wurde, forderte sein Fraktionsvorsitzender, Klaus Wedemeier, in der Bremischen Bürgerschaft energische Sparanstrengungen. Koschnick trat 1985 zurück und schlug Wedemeier als seinen Nachfolger vor.

Nach 17 Jahren als Bürgermeister, engagierte sich Koschnick nun besonders für die deutsch-polnische Aussöhnung. Im Jahr 1994 nahm er den Ruf als Mostar-Koordinator an. In dieser Rolle hat er sich europaweit Respekt erworben, weil er, ohne persönliche Risiken zu scheuen, die fast unlösbare Aufgabe mit großer Zähigkeit verfolgte und, wie er selbst sagte, „in Millimeterarbeit“ voranbrachte. „Wir müssen den Balkan europäisieren“, das war immer Koschnicks Überzeugung – auch wenn das Jahrzehnte braucht. kkk