Stoiber will Nachfolge noch offen halten

Der bayerische Ministerpräsident will vorbauen: Seine Nachfolge soll erst entschieden werden, wenn er auf einem Berliner Ministersessel Platz genommen hat. Die Debatte um Beckstein oder Huber als Erben des Chefamts kann er nicht mehr stoppen

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Das alte Schlitzohr Edmund Stoiber hält sich weiter alle Türen offen. Über eine Nachfolge des bayerischen Ministerpräsidenten werde erst nach der Unterschrift zum Berliner Bundesministeramt entschieden, bekräftigten Stoiber und der bayerische CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann nach einer Fraktionssitzung. Zuvor hatten sich die beiden das erste Mal seit der Bundestagswahl offiziell zum Zwecke der Nachfolgediskussion mit den beiden Aspiranten Günther Beckstein und Erwin Huber zusammengesetzt. „Wir haben dabei vieles mit- und gegeneinander abgewogen“, so Stoiber am Mittwoch. Er selbst könne aber keine Empfehlung abgeben, „weil ich sie beide für exzellent halte, weil beide Freunde sind“.

Damit sind die beiden Freunde weiter im Rennen, aber nicht nur die hat Stoiber mit seinem Zeitplan im Auge, sondern vor allem sein eigenes Wohlergehen. Denn noch ist der Möbelwagen nicht gepackt, noch treibt ihm der Umzug an die Spree Sorgenfalten auf die Stirn: „Es schaut manchmal so aus, als ob die große Koalition bereits in trockenen Tüchern ist“, dabei sei noch nicht einmal über wirkliche Sachfragen geredet worden, relativierte Stoiber den bisherigen Erfolg der Berliner Verhandlungen. Würde die große Koalition wirklich nicht zustande gekommen, obwohl München bereits einen neuen Granden hat, dann würde aus dem bisherigen Superchef ein einstiger – Stoiber hätte kein Regierungsamt mehr, weder in Bayern noch in Berlin.

Und Stoiber möchte die Partei durch das Zaudern vor dem ministeriellen Personalkarussell schützen – werden doch auf jeden Fall Minister- und Staatssekretärsposten im Domino-System frei, sobald entweder Beckstein (Inneres) oder Huber (Staatskanzleichef) Ministerpräsident wird. Doch der Plan könnte nach hinten losgehen, beginnt die Personaldiskussion doch gerade erst richtig: „Stoiber muss den Weg freimachen für seinen Nachfolger“, forderte etwa der CSU-Landtagsabgeordnete Hermann Imhof am Mittwoch noch vor der eigentlich klärenden Fraktionssitzung. Das Risiko einer Luftnummer Stoibers nach einem Scheitern der Koalitionsverhandlungen müsse dabei eingegangen werden, so Imhof. Vorrangig sei, welcher der beiden Kandidaten das größere Vertrauen und die höhere Akzeptanz in der Bevölkerung genieße, und mit wem die CSU 2008 bei der Landtagswahl am klarsten punkten könne.

Darüber sind sich die CSU-Abgeordneten trotz Krisensitzung samt Noch-Ministerpräsident weiterhin uneins, wie auch ihr Chef Herrmann bestätigte: „Es ist sicher strittig.“ Der Münchner Merkur etwa hat in den letzten Tagen die Stimmen der Fraktion ausgezählt. Das Ergebnis nach 124 Telefongesprächen: 60 Freunde hat Beckstein, 52 Freunde hat Huber und von 12 Abgeordneten gab es keine Einschätzung.

Mithelfen bei der Präsidentenfindung soll nun die wirkliche Basis. Beim Parteitag am 14. November soll der Koalitionsvertrag gebilligt werden und danach im großen Kreise das Für und Wider von Beckstein und Huber abgewogen werden – wenn alles nach Stoibers Plan läuft und er den Taktstock in der Hand behält. „In der darauffolgenden Woche kann der Landtag dann den neuen Ministerpräsidenten wählen“, prophezeite Herrmann.

Auch das Szenario der „Volksbefragung“ wird in Bayern übrigens schon einmal geprobt: Auf der Webseite des Bayerischen Rundfunks können die User derzeit über ihre Wunschkandidaten abstimmen. Gestern Mittag konnte Beckstein 54 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, für Huber stimmte nur etwa jeder Sechste und ein knappes Drittel der BR-Nutzer will gar keinen der beiden als Nachfolger. Diese Konstellation hat der Münchner Merkur gar nicht zur Wahl gestellt, dort hieß es pari: 50,4 Prozent zu 49,6 Prozent. Wobei dieses Ergebnis nicht ganz repräsentativ sei, wie die Redaktion feststellte: Auch von Erwin Hubers Rechnern in der Staatskanzlei sei geklickt worden.