Porträt
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„Mir geht es nicht um die Taten“: Gerd Mewes, JVA-Coach Foto: privat

Einer mit langem Atem

Es kann so viel passieren, das weiß Gerd Mewes. Seit 36 Jahren trainiert er in der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel die Fußballmannschaft. Tagelang kann sich der inzwischen 72-Jährige Gedanken darüber machen, welchem seiner „schweren Jungs“ er das Vertrauen schenken will, indem er ihn für den Spieltag für die erste Elf nominiert – und dann kann irgendein Vorfall alles über den Haufen werfen.

So kommt es schon mal vor, dass einer der Spieler von „Eintracht Fuhlsbüttel“ unter der Woche beim Rauchen eines Joints erwischt wird oder überschüssige Energie in Handgreiflichkeiten abzuleiten versucht. Anders als beim Deutschen Fußball Bund (DFB) kommt es in „Santa Fu“ dann nicht zu langen Verhandlungen übers Strafmaß: Dann ist der Missetäter schlicht raus für die Partie am folgenden Sonntag. Vorbei die Aussicht auf das Gefühl Freiheit, wenigstens 90 Minuten lang auf dem Grandplatz der JVA.

Mewes hat sich längst damit arrangiert, dass nichts gesichert ist in diesem Hochsicherheitsumfeld. Seit 2008 nimmt Eintracht Fuhlsbüttel am Ligabetrieb teil, zweimal wurde die Mannschaft Meister der Kreisklasse. Beide Male aber verzichtete man auf den Aufstieg – weitergehende sportliche Ambitionen hegen die Verantwortlichen nicht. Noch eine Besonderheit: Für Eintracht Fuhlsbüttel gibt es ausschließlich Heimspiele.

Für seine Arbeit hat Mewes am Freitag in Mannheim die Sepp-Herberger-Urkunde überreicht bekommen, mit der die „DFB-Stiftung Sepp Herberger“ soziale und karitative Projekte fördert – das Engagement im Strafvollzug ist sogar die älteste Säule dieser Aktivitäten. Mewes belegte Platz eins in der Kategorie Resozialisierung. Damit verbunden war ein Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro.

Es ist ja auch außergewöhnlich, was der vom Hamburger Fußballverband (HFV) gestellte Trainer leistet: Immer wieder versucht er aufs Neue, ein funktionierendes Team zu formen – aus Räubern, Mördern, Dealern, Sexualstraftätern und sogar Terroristen. „Bei mir geht es nicht um die Taten, sondern um Fußball“, das ist so ein Satz, den er immer wieder sagt. „Natürlich haben diese Menschen Dinge getan, die wir uns nicht vorstellen können. Aber trotzdem bleiben es Menschen.“

Dass er sich seiner Arbeit so lange widmen würde, hätte sich der Pragmatiker und Menschenfreund 1980 nicht träumen lassen: Damals hatten die Spieler von „Santa Fu“ beim HFV angefragt wegen eines richtigen Trainers. Anfangs war man zu dritt, Mewes blieb übrig. Er trainiert das Team am Mittwochnachmittag und betreut es bei den Spielen. „Ich werde rechtzeitig einen Nachfolger aufbauen“, sagt er. „Das Projekt darf nicht sterben.“ GÖR