Schwäne, lernt singen!

Schleswig-Holsteins CDU-Umweltminister setzt seine Jagdverordnung aller Experten-Kritik zum Trotz durch und begründet sie mit der „Notwendigkeit der Schadensabwehr bei Problemtierarten“

von Esther Geißlinger

Vor seinem Ende kommt der Höckerschwan noch kurz ins Gespräch mit dem Jäger, vielleicht kriegt er auch eine letzte Zigarette angeboten, bevor ihn die letale Kugel ins Herz trifft: So ähnlich muss wohl aussehen, was in der neuen Landesjagdverordnung in Schleswig-Holstein wie folgt beschrieben wird: „Höckerschwäne dürfen nur per Kugelschuss erlegt werden, um eine ruhige vorherige Ansprache und die sichere Unterscheidung von geschützten Zwerg- und Singschwänen sicherzustellen.“

Ab 28. Oktober dürfen Schleswig-Holsteins Waidmänner nach den neuen Regeln auf die Pirsch gehen – trotz langer Diskussionen und vieler Proteste hat Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU) die Verordnung unterzeichnet. Da es sich nur um Ausführungsregeln für ein Bundesgesetz handelt, muss der Richtlinienkatalog nicht vom Landtag behandelt werden. Festgelegt sind Jagdzeiten und die Abschussliste der Tiere. Es gehe um die „Notwendigkeit der Schadensabwehr bei Problemtierarten wie Gänsen, Ringeltauben und Rabenvögeln“, heißt es in der gestrigen Mitteilung des Landwirtschaftsministeriums. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Karl-Martin Hentschel, kann sich aber nur einen Grund vorstellen, warum Schwäne, Blässhühner, Minks und Maderhunde abgeschossen werden: „Lustgewinn.“

Die Grünen hatten ein Gutachten eingeholt, um zu beweisen, dass die Verordnung gegen Bundes- und EU-Recht verstoße. Die Bedenken seien nicht berücksichtigt worden, es habe sogar Verschlimmbesserungen gegeben, heißt es nun in einer gemeinsamen Erklärung der Grünen und des SSW. Sie kritisieren auch die Koalitionspartnerin SPD, die nach einigen lauten Protesten eingeknickt sei: „Geradezu peinlich.“

Das Ministerium argumentiert, dass es Bundesrecht umsetze. Bestimmte Enten- und Taubenarten dürfen darüber hinaus nicht bejagt werden. Zu wenig, meinen Grüne und SSW: Das Bundesrecht erlaube weitere Ausnahmegenehmigungen. Schleswig-Holstein sei immerhin Rast- und Brutplatz zahlreicher seltener Vogelarten, Eingriffe bei einer Tierart bringen das Gleichgewicht und die Nahrungskette durcheinander. In der jetzt gültigen Verordnung dürfen beispielsweise Krähen per Falle gefangen werden – kaum zu verhindern, dass andere Tiere darin stecken bleiben. Die Oppositionsparteien kritisieren auch, dass Bürokratie nicht abgebaut – wie vom Ministerium versprochen – sondern vermehrt werde. So muss ein Sachverständiger den Abschuss von Nonnengänsen, die auf Äckern weiden, genehmigen.

Die Grünen hatten schon vor zwei Wochen angekündigt, klagen zu wollen, auch Umweltverbände könnten gegen die neue Verordnung vor Gericht gehen. Den Höckerschwänen des Landes hilft das für den Moment wenig. Findet die ruhige Ansprache durch einen Jäger statt, dann sollten sie am besten den Schnabel aufreißen und kräftig singen – der Schütze könnte sie für einen Singschwan halten.