Live-Elektronik

Die Elektronische Musik ist eine Richtung innerhalb der zeitgenössischen E-Musik, die ihren Höhepunkt in den 1960er Jahren erlebte. Es war die Zeit, in der Komponisten von der totalen Kontrolle über das Klangmaterial träumten. So, wie ihre seriellen Kompositionen quasi mathematisch durchorganisiert waren, was die Abfolge der Töne, ihre Lautstärke und Dauer betraf, sollte endlich die Unberechenbarkeit der Instrumente und menschlichen Stimmen eingedämmt werden. Die Lösung war die Erzeugung der Töne mittels elektronischer Geräte wie dem Synthesizer.

Berühmte Vertreter dieser „Elektronischen Musik“ waren in Frankreich Pierre Boulez und in Deutschland Karlheinz Stockhausen mit seinem Kölner Studio. Davor, daneben und danach gab es mit der Live-Elektronik aber auch eine andere Tradition der Elektronischen Musik, deren berühmtestes und gleichzeitig erstes Beispiel John Cages Komposition „Imaginary Landscape No.1 “ von 1939 ist. Cage schrieb das Stück für zwei Schallplattenspieler, Klavier und Becken, was damals einer kleinen Revolution gleichkam: Einem Schallplattenspieler wurde derselbe Rang zugewiesen wie dem Klavier.

Während die Kölner Schule um Stockhausen verlangte, dass alles klingende Material synthetisch am Rechner erzeugt wird, verbindet die Live-Elektronik elektronische mit natürlichen Klängen. Das Erklingen der Komposition kann nicht durch Computer übernommen werden, sondern hängt ganz traditionell von der Aufführungssituation ab. Im Extremfall geht das wie im Lüneburger Studio so weit, dass live eingespielte Musik in Echtzeit elektronisch verändert wird. Für den Hörer ist es so nicht mehr möglich, zwischen natürlichem und künstlichem Klanganteil zu unterscheiden.

Der Traum, der in Lüneburg geträumt wird, handelt nicht mehr von der Verdrängung, sondern von der Erweiterung des Menschen durch die Maschine.Bühler / Wiese