LeserInnenbriefe
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Es ist bitter

betr.: „Geständnis eines Linken“, taz vom 11. 4. 16

Großes Kompliment für diesen mutigen Artikel. Ist mir glatt aus der Seele gesprochen. Es ist bitter , Realitäten anerkennen zu müssen, die im Wesen des Menschen begründet liegen und die man auch mit den besten Absichten nicht beseitigen kann.

ROBERT FREUTSMIEDL

Weiter denken

betr.: „Geständnis eines Linken“, taz vom 11. 4. 16

Wie oft habe ich in letzter Zeit gehört: Deutschland sei ein reiches Land, aber wir könnten nicht alle aufnehmen.

Es zeigt eine Schwäche der Linken in dem Sinne, als das Linkssein als eine politische Richtung verstanden sein will, in der die Menschen – und zwar unabhängig von ihrer Herkunft – im Mittelpunkt stehen und nicht eine am Ende wirtschaftliche Rationalität. Die Schwäche zeichnet sich nicht darin aus, dass eingestanden werden muss, dass doch nicht alle aufgenommen werden könnten. Denn zweifellos sind die EU-Staaten in der Lage, überall in der Welt Menschen und Rohstoffe auszubeuten, um ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Das Elend, in welches sie die Menschen stürzen, möge dabei draußen bleiben. Sicherlich sind belegte Turnhallen nicht schön. Jedoch auch sie wären nicht notwendig, wenn da nicht diese Denkblockade wäre.

Die Denkblockade beinhaltet, dass es zwar okay ist, großen Konzernen, Banken, Versicherungen, AKW-Betreibern etc. Hunderte Milliarden Euro hinterherzuwerfen, aber Geld für Menschen, die einfach nichts haben, schlicht nicht da sein darf. Das neoliberale Dogma, dass es keine Umverteilung von Reich zu Arm geben darf, ist weit verbreitet, auch unter Menschen, die sich sogar noch als links bezeichnen. Zu groß ist die Angst davor, dass die umgarnten „Investoren“ uns sonst alleine lassen würden und dann die große Krise kommen würde. Da füttern wir doch lieber aufstrebende Diktatoren durch, lassen Menschen im Meer ertrinken, weil nur dies sie abschrecken würde, und nehmen den Klimawandel als „kaum abänderbar“ hin, statt nach konsequentem Gegensteuern zu verlangen. Das hat nichts mehr mit „Linkssein“ zu tun. BERNHARD STOEVESANDT, Bremen

Es gibt eine Verantwortung

betr.: „Geständnis eines Linken“, taz vom 11. 4. 16

Es gibt kein Recht auf ein von Dilemmata unbelästigtes Leben – aber es gibt eine Verantwortung, die Annahmen, die zu einem Dilemma führen, zu reflektieren. Besonders, wenn Teile des Dilemmas durch die bisherige Politik selbst verschuldet sind. Das eigentliche „schmutzige Geheimnis“ dieses Beitrags besteht also im Eingeständnis, dass niemand eine befriedigende Antwort hat, weder rechts noch links. Die schändliche Lage der Geflüchteten, die lebensbedrohliche Perspektive derer, die sich auf den Weg machen, die vorübergehende „Entspannung“ für die heimischen Akteure – ja und auch die Lage der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit in der Türkei, sie sind eine Verpflichtung aus Gewissensgründen, den scheinbaren und den tatsächlichen Dilemmata schleunigst auf den Grund zu gehen (statt sich staatsmännisch zurückzuhalten), die Paradoxien durch vielfältige, der Komplexität gerecht werdende Entscheidungen zu verringern, statt die Rolle eines wehrlosen „Dilemma-Opfers“ anzunehmen.

Wenn Ulrich Schultes „Geständnis“ den gesellschaftlichen und politischen Prozess der „Dilemma-Bereinigung“ beschleunigt, die Larmoyanz der „Dilemma-Opfer“ auflöst und die dafür auch intellektuell geeigneten Formate lostritt, dann wäre es immerhin nützlich. RAINER NOLTE, Bad Boll

Nächstenliebe ist heuchlerisch

betr.: „Geständnis eines Linken“, taz vom 11. 4. 16

Hass, Angst und Zweifel sind ein schlechter Ratgeber, lieber Herr Schulte! Wenn wir sagen „wir schaffen das“, und eine Mehrheit der Deutschen glaubt „noch“ daran, dann sollten wir doch alles dafür tun! Wohnungen bauen, Vermögenssteuer einführen, bedingungsloses Grundeinkommen für alle und vor allem das kreative Leben der Menschen fördern. Jeder Mensch hat das Recht, dort zu Leben, wo er möchte. Das ist human und ein Menschenrecht. Wenn ich das anzweifele, klebe ich automatisch an den Lippen von Frauke Petry und Horst Seehofer.

Warum kann die EU nicht die Humanitätsverweigerer in der EU sanktionieren? Gehen doch Hunderte Millionen an Subventionen nach Ungarn, Polen und Serbien. Die Staaten, die die Flüchtlinge aufnehmen und dafür sorgen, dass die Menschen ein würdevolles Leben haben, erhalten stattdessen das Geld. Es „zweifeln“ aber nicht nur die Linken, auch die Konservativen und vor allem die Christen des Abendlandes. Nächstenliebe ist so heuchlerisch!

Noch eins: Merkel hat nicht Europa gerettet! Merkel klebt an den Lippen der Rechtsnationalisten und macht perfide Deals mit korrupten Machthabern wie mit der türkischen Regierung. Wo Flüchtlinge erschossen werden, Frauen vergewaltigt und geschlagen werden, Medien und Pressefreiheit eingeschränkt werden und die Türkei Waffen an den IS liefert.

Wir dürfen nicht zweifeln, wir sollten den Blick über den Tellerrand schweifen lassen, auf unser Herz hören und uns nicht auf die Politik der nichts tuenden Raute verlassen. Merkel zweifelt viel zu oft, dass macht mir Angst. SVEN BOHL, Niebüll