heute in hamburg
: „Man klingt sich nicht aus“

SELFIES Digitale Kommunikation kann stressig sein, aber digitale Enthaltsamkeit ist keine Lösung

Eve Massacre

Foto: privat

45, ist Autorin, Bloggerin und DJ. Sie schreibt auf breakingthewaves.de über Popkultur und Queerfeminismus.

taz: Frau Massacre, lassen Sie Ihr Smartphone zu Hause, wenn Sie in eine Bar gehen?

Eve Massacre: Nein, um Gottes Willen!

Aber verstehen Sie, dass manche genervt sind, wenn Menschen sich schweigend gegenüber sitzen und auf ihre Telefone starren?

Ja, wenn es so ist, wie es in manchen Kritiken überspitzt dargestellt wird. In meinem Freundeskreis ist das aber nicht so, sondern es ist okay, wenn jemand mal sein Telefon in die Hand nimmt, während sich andere gerade unterhalten. Man klinkt sich ja dadurch nicht komplett aus, man erzählt zum Beispiel auch anderen, was jemand gerade geschrieben hat.

Wieso sollten wir einander nicht verbieten, auf Konzerten oder in schönen Momenten Selfies zu machen?

Das, was die Leute dran stört, ist das Gefühl, man erlebe den Moment nicht richtig, weil man in der virtuellen Welt ist. Das ist Quatsch. Ob ich mit jemandem spreche oder ihm ein Selfie schicke, wie ich gerade glücklich auf einem Konzert stehe, ist kein Unterschied. Die Kommunikation ist in beiden Fällen echt.

Wann wird die Kommunikation zur politischen Frage?

In dem Moment, in dem man in eine Technikkritik reinrutscht, die eine sehr konservative ist. Und sie thematisiert dabei noch nicht einmal das eigentliche Problem.

Was ist denn das eigentliche Problem?

Wie die Plattformen konstruiert sind. Facebook zum Beispiel zielt auf schnelle Klicks und darauf, die Leute auf der Plattform zu halten. Und das geht eben über dieses Schreiende, Laute, Krasse, das emotional zugespitzt ist und die Leute zu schnellen emotionalen Ausbrüchen verleitet. Und das macht eben auch was mit der Gesellschaft.

Ist digitale Enthaltsamkeit keine Lösung dafür?

Das Problem sind nicht die Geräte und dass wir von ihnen abhängig sind, sondern das, was wir damit machen. Dass Leute digital kommunizieren, ist kein Problem. Aber man muss einen bewussten Umgang finden.

Wie sieht so ein richtiger Umgang aus?

Einfach wie bei allen anderen Sachen auch: Es ist ein Umgang, der nicht stresst. Man sollte etwa überlegen, welchen Kanal will ich für welche Kommunikation verwenden.
INTERVIEW:KSCH

„Soft Resistance. Die gesellschaftliche Verhandlung der Benutzung von Smart Phones, sozialen Medien und dem Konzept sozialer Enthaltsamkeit.“ Vortrag und Diskussion: 20 Uhr, Bildungszentrum Dock Europe, Bodenstedtstraße 16