LeserInnenbriefe
:

taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin

briefe@taz.de | www.taz.de/Zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Schattendasein beenden

betr.: „Niemand kennt derzeit die Lösung“, taz vom 26. 3. 16

Uff! Angela Merkels (europäische) Lösung, Flüchtlinge in Lagern zu konzentrieren, muss Söder doch in seinem Versuch, Seehofer loszuwerden, endlich stoppen. Und mit Thomas de Mazière sitzt ja schon die AfD mit am Kabinettstisch, er druckt schon das Grundgesetz auf Arabisch (mit Platz für den Fingerabdruck als Eintrittskarte).

Ich hätte da noch eine Idee für Sigmar Gabriel, sein Schattendasein zu beenden: Seine Parteifreunde in Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben da noch freie Kapazitäten geschaffen. Jetzt beginnt die Sommersaison für Sonnenflüchtlinge. Auf den ersten Charterflügen sind auf den Rückflügen die meisten Plätze frei. Warum macht er keinen Deal mit den Airlines und lässt seine Schlepper in Griechenland die Sitze meistbietend mit Gestrandeten auffüllen, viel Gepäck haben sie eh nicht mehr und ein Glas Wasser reicht ihnen sicherlich auch beim Flug ins gelobte Land. Es hilft auch griechischen Hoteliers, die ihren Gästen den Anblick armer Menschen ersparen wollen. Das gäbe auch schöne Bilder beim Empfang der ersten Maschine auf dem Flughafen Hannover. Und beruhigt sicherlich auch die grünen Spitzen. Bevor die grüne Basis aufwacht und auf dem nächsten Parteitag wieder neu über Rotation und breite Ärsche auf bequemen Sitzen nachdenkt. DIETMAR RAUTER, Kronshagen

Die „Reife“ fehlt

betr.: „Ganz normale Abiturienten“, taz vom 23. 3. 16

Da prügeln sich in Köln Schüler – ich denke nicht, dass Mädchen dabei waren – zweier Kölner Gymnasien, just for fun, sozusagen ein Abi-Scherz. Verletzungen, unter anderem eine schwere Augenverletzung, sind das Ergebnis. Wohlgemerkt: vor den mündlichen Prüfungen! Klar: Abi-Scherze gibt es schon lange, nur wurden sie bisher nach bestandenen Prüfungen gemacht, als Ausdruck der Freude und Erleichterung, dass alles erfolgreich erledigt war. Nun also schon vorher.

Ein anderer Ausdruck für Abitur ist „Reifeprüfung“. Diesen Schülern scheint es an Reife aber noch erheblich zu fehlen. Immerhin sollen Abiturienten zukünftig die Geschicke von Geistesleben, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft lenken. Dafür ist tatsächlich eine gewisse Reife nötig, die sich in Verantwortlichkeit, zivilem Verhalten und ähnlichen Tugenden ausdrückt. Den Kölner Schülern muss wohl diese Reife fehlen, folglich wäre es angemessen, ihnen die „Reife“ noch vor dem Abitur abzuerkennen, also sie zur Prüfung gar nicht erst zuzulassen. JÜRGEN FIEGE, Bremen

Big Bang des Klimawandels

betr.: „Die guten Jahre verschlafen“, taz vom 24. 3. 16

Der Vorwurf, die guten Jahre verschlafen zu haben, wird sich begründen lassen, zumal im Fahrwasser der gängigen Wirtschaftspolitik mit den Wachstumserwartungen. Denn welche Projekte werden noch ohne Schuldenfinanzierung realisiert? In Wirklichkeit führt Verschuldung zu Entmündigung. Die Gläubiger des Staats lösen den Souverän Wahlbürger ab und setzen sich an seine Stelle. Dass Merkel das mit Schäubles Hilfe rückgängig machen will, dafür spricht nichts. Und doch, wo soll das kumulierte Geld hin, wenn die Staaten es nicht mehr nehmen? Da springt Gabriel ein und bietet für Infrastruktur PPP(Private Public Partnership) für das Versicherungsgewerbe an. Infrastruktur ist doch Staatsaufgabe. Doch wie schwer wiegt das Versicherungsgewerbe im Vergleich zum kumulierten Privatkapital? Circa 20 Prozent, wenn’s hoch kommt. Der Hase läuft mit PPP und TTIP auf den Big Bang des Klimawandels zu. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Das heilige Wildschwein

betr.: „Die arme Sau“, taz vom 19. 3. 16

Jörn Kabisch suggeriert eine kulturhistorische Darstellung, betrachtet die Sau als Symbol jedoch nur von heute ausgehend innerhalb des patriarchalen Kontextes. Das ist oberflächlich und peinlich. Es sollte sich auch bis zur taz rumgesprochen haben, dass die Welt nicht mit dem Patriarchat begonnen hat und dass es vor den patriarchalen monotheistischen Konfessionen religiöse Kulte gab.

Es sollte nachdenklich machen, warum die Wildsau in vorpatriarchaler Zeit in verschiedenen Kulturen als heiliges Tier angesehen wurde. Wir kennen Bilder von Schweinegöttinnen, sowohl aus Indien, dem arabischen Raum, aus Griechenland usw. Unter anderem gibt es Münzen aus Eleusis (Griechenland) mit der Sau als Symbol. Im Kult von Eleusis nimmt die heilige Sau eine zentrale Rolle ein. Römische Kaiser wurden mit dem Schwur auf die Sau in ihrem Amt bestätigt. Inzwischen haben mehrere Forscherinnen Antworten gefunden, warum aus dem heiligen Tier das verfluchte, und vom Speisezettel der Juden verbannte, Tier wurde. Heute noch zu verbreiten, es könnten klimatische, gesundheitliche oder andere obskure Gründe dafür verantwortlich sein, ist einfach nur peinlich.

Durch die inhaltliche Verkürzung gelingt es dem Autor nicht, die Kontinuität der Verachtung von Andersgläubigen und Andersdenkenden im Patriarchat von seinen Anfängen bis heute vermittelt über das Schwein darzustellen. Die Wildsau war und ist ein kraftvolles und mächtiges Symbol für die Potenz von Frauen.

MARIE-HELENE STREICHER, Bremen