Europa League Borussia Dortmund präsentiert sich beim 1:1 gegen Jürgen Klopps Liverpooler als ebenbürtig. Aber ausgeschöpft wurde das Potenzial des BVB an diesem Abend nicht
: Nur noch ein Schuss Lockerheit aufs Tor

In Dortmund schimmert immer der Extrainer d urch Foto: reuters

aus Dortmund Daniel Theweleit

Jürgen Klopp war locker und bestens gelaunt, er bedankte sich für den „leisen, aber sehr angenehmen Applaus“, mit dem ihn das Publikum in seinem alten Westfalenstadion vor der Partie begrüßt hatte. „Mehr war nicht notwendig, das war schön“, sagte der Trainer des Liverpool FC. Und das 1:1, das seine Engländer mit ins Rückspiel an die heimische Anfield Road bringen, beflügelte sein Hochgefühl.

Zumindest in Ansätzen war an diesem Donnerstagabend genau das eingetreten, wovor die Dortmunder sich gefürchtet hatten: Es war irgendwie der Abend des Jürgen Klopp. Im Umkehrschluss heißt das: Der Abend des BVB ist es nicht gewesen. Der Dortmunder Mannschaft hatte die Lust an einem Fußballspiel gefehlt, auf das die Fans und die Stadt sich mehr gefreut hatten als auf jedes andere Duell der bisherigen Saison. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir es schaffen, die Partie, mit einer erkennbaren Freude, mit einer Freiheit, mit einem Lächeln auf den Lippen zu spielen“, sagte Trainer Thomas Tuchel, „aber leider ist uns das nicht gelungen.“

Der Liverpool FC ist fußballerisch sicher nicht besser als der BVB Borussia, das war auch an diesem Abend sichtbar, aber Klopps neue Mannschaft hatte eine passendere Haltung zu dieser besonderen Aufgabe gefunden. Was sehr wahrscheinlich auch daran lag, dass die Rückkehr der Dortmunder Klub­ikone nicht nur die Stadtöffentlichkeit und das Publikum, sondern auch die Spieler mehr als nur irgendwie irritiert hatte. „Es war ein bisschen seltsam, Jürgen in unserem Stadion, in seinem Stadion gegen uns zu sehen“, berichtete Mats Hummels. Diese emotionale Verwirrung war allgegenwärtig. Bei Torwart Roman Weidenfeller drückte sie sich so aus: „Ich hab mich ums Spiel gekümmert. Ich hatte keine Zeit, um irgendwelche Gästetrainer zu begrüßen.“

Als hätten die Leute Schwierigkeiten, den von ihrem Jürgen trainierten Liverpool FC als echten Gegner zu empfinden, entwickelte das sonst so hingebungsvolle Publikum nie die Wucht eines großen Europapokalabends. Und seine Mannschaft spielte vor allen Dingen in der ersten Halbzeit „nervös, technisch unsauber, verkrampft und zu verbissen“, wie Thomas Tuchel analysierte, um etwas später ein Grundsatzplädoyer für mehr Leichtigkeit zu halten.

Auch das Derby auf Schalke am Sonntag und das Rückspiel gegen Liverpool erzeugen ja einen großen „emotionalen Druck“, sagte der Trainer und verlangte, dass seine Mannschaft sich davon frei machen solle: „Ich wünsche mir, dass wir da mit der gleichen Verbissenheit, mit dem gleichen Willen spielen, den man uns heute angesehen hat, aber auch mit dem nötigen Schuss Lockerheit.“

Der BVB hat schon Erstaunliches vollbracht im Verlauf dieser Saison, Bundesliga und Sport­öffentlichkeit staunen darüber, mit welcher Beharrlichkeit der Klub den FC Bayern verfolgt und auf eine Chance zum Angriff lauert. Nie, auch nicht in ihren Meistersaisons, hatten die Dortmunder zu diesem Zeitpunkt eines Spieljahres so viele Punkte gesammelt.

Aber einen wesentlichen Charakterzug, der die meisten echten Spitzenteams kennzeichnet, haben sie noch nicht – oder wenigstens noch nicht ganz – entfalten können: die Fähigkeit, in den größten Spielen über sich hinauszuwachsen. Genau das aber war schon immer eine Spezialität des Fußballlehrers Jürgen Klopp, der sie mittlerweile eben in England lehrt.

Tuchels Dortmunder hingegen haben in den beiden direkten Duellen gegen die Münchner Bayern in der Bundesliga mühsam einen mageren Punkt erspielt, und in ihrem bislang emotionalsten Spiel des Jahres – an diesem Donnerstag nämlich – haben sie wieder nicht ihren besten Fußball gespielt: Gegen Liverpool haben sie schlicht ihr Potenzial wieder einmal nicht ausgeschöpft.

Allerdings ist es zu früh für ein abschließendes Urteil, denn noch ist nichts verloren. Der BVB hat weiterhin die Chance, Meister zu werden, in der übernächsten Woche steht ein DFB-Pokal-Halbfinale in Berlin an, und das Rückspiel in Liverpool bietet selbstverständlich weiterhin die Option, das Halbfinale der Europa League zu erreichen. Eine Art kleines Triple ist da möglich.

Thomas Tuchel hält das zumindest nicht für unmöglich. Dieses emotionale Aufeinandertreffen mit seinem Vorgänger hatte ihn gestört, erleichtert vermerkte er, dass das mit dem „Wiedersehen ja vorbei“ ist, wenn der BVB in der kommenden Woche an die Anfield Road reist.

Problematisch für den BVB wäre es allerdings, wenn Mats Hummels recht haben sollte. „Ich glaube, wir haben im Moment eine Phase, in der wir uns schwerer tun, ein Spiel von Anfang an zu dominieren, Chancen rauszuspielen“, erklärte der Kapitän nach dem Liverpool-Spiel. Und das klang dann doch nach einem Problem, das sich möglicherweise nicht so leicht vertreiben lässt wie die emotionale Verwirrung durch die Begegnung mit einem sehr entspannten Gespenst aus der Vergangenheit.