Radikale Weine von Rainer Schäfer
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Foto: Hajo Balczun

Achtung!, ein extremer Wein: Wer einen fruchtklischeelastigen Riesling sucht, sollte die Finger davon lassen. Der Riesling 32 vom Weingut Balthasar Ress aus Hattenheim im Rheingau riecht zunächst ziemlich streng nach Apfelmost, Malz und Gummi. Er braucht Zeit, um sich zu öffnen.

32 heißt der Wein, weil er so viele Monate auf der Vollhefe lag. „Freakwein“, sagt Weinmacher Dirk Würtz dazu; der ungewöhnliche Riesling zählt zu den viel diskutierten Naturweinen. Würtz hat ihn als Landwein ohne die übliche Amtliche Prüfungsnummer abgefüllt, er hielt es für aussichtslos: Die ist bei der Qualitätsprüfung Weinen vorbehalten, die „sorten- und gebietstypisch“ sind – damit kann er nicht dienen. Es gäbe „Vorbehalte“ gegen diesen Weintyp, einige sind berechtigt. Mancher Vin Naturel, vom Winzer sich selbst überlassen, schmeckt nach vergammeltem Kohl: Solche Flüssigkeiten kann man wegwerfen.

„Naturwein heißt nicht, dass man die Brühe vor sich hinrotten lässt“, sagt Würtz. Man müsse exakt und sauber arbeiten. Nur „kerngesunde Trauben“ aus dem Hattenheimer Engelmannsberg wurden nach einer Maischestandzeit von drei Tagen spontan vergoren. Das Fass müsse immer voll sein, der Wein dürfe nicht oxidieren, sagt Würtz, „sonst war alles umsonst“.

Beim Riesling 32 hat sich der Aufwand ausgezahlt: Er ist am Gaumen dicht und phenolisch, dabei schlank und athletisch. Am besten trinkt man ihn über zwei, drei Tage hinweg. Wer ihm Zeit gibt, wird belohnt: Diesem Riesling verfällt man mit jedem Schluck mehr. Er ist Stoff für mutige, unkonventionelle Weintrinker. Auch zu Gerichten mit Wasabi und zu geräuchertem Fisch sei er der Clou, sagt Dirk Würtz: „Da fliegt dir der Hut weg.“

Riesling 32, Jahrgang 2012, Weingut Balthasar Ress, 29 Euro. Über www.balthasar-ress.de