der rote faden
: Dem Erregungsrülpser folgt das große Weitermachen

nächste wochenina apin Foto: Stefan Boness

durch die woche mit

Meike Laaff

Weltbildbestätigung

Es ist leider null überraschend, wie die Leaks der Panama Papers jetzt aufgenommen werden. Hier die Zyniker, die nur drei Überschriften brauchen, um sich darin bestätigt zu sehen, dass sie es natürlich immer schon gewusst haben: Reiche, die den Hals nicht vollbekommen – pfff, na klar, wie naiv seid ihr denn! Dort die Verschwörungstheoretiker, die blitzschnell mit Theorien aufwarten können über gelenkte Presse und finsteres USA-Strippengeziehe. Konservative (Reiche), die relativierend zu erklären versuchen, warum alles gar nicht so wild ist. Alles nahtlos einfügbar ins jeweils eigene Weltbild, das es nun lautstark zu bestätigen gilt.

„Leak ist Pop“, titelte deshalb Spiegel-Online-Kolumnist Sascha Lobo in dieser Woche und kritisierte, dass bei den Panama Leaks die Inszenierung wichtiger sei als die Inhalte. Auf den ersten Blick allerdings scheinen die Panama Papers dafür ein schlechtes Beispiel – eskaliert es doch von Island über Argentinien bis Großbritannien munter vor sich hin. Aber: Jenseits der großen Aufregung legale von illegaler Bereicherung zu unterscheiden, zu differenzieren, wo Aufregung wirklich angebracht ist – und wo „zulässig“ nicht das Gleiche wie „richtig und wünschenswert“ ist –, das ist eine größere Puzzle­arbeit. Bei der man wahrscheinlich einen Großteil des Publikums längst wieder verloren haben wird. Stimmt nicht? Na, seien wir mal gespannt, wie breit die Diskussion über eine geplante EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ­geführt werden wird, das Leaken künftig erschweren könnte.

Unübersichtlichkeit

Die Weltlage immer komplizierter, ein Web, dank dem man immer mehr wissen könnte: Unübersichtlichkeit, in der sich viele das reflexartige Meinen antrainiert haben. Flüchtlingsdeals, Finanzkrisen, WhatsApp-Verschlüsselung oder der Echo für Freiwild: zu allem, wirklich allem soll man sich bitte schön fix positionieren. Gerade als So­zialnetzwerker. Abwägen, nachlesen, überlegen? Ist was für lauwarme Luschen. Dass das Ergebnis eine Empörungsgesellschaft ist, die Bescheid weiß, ohne zwangsläufig informiert zu sein, die sich so schnell ein neues Thema sucht, wie sie sich über das alte fertig echauffiert hat, ist oft schon geschrieben worden. Reaktionsreflexe, die in der Öffentlichkeit vor allem zu einem führen: zu Abstumpfung.

Jeder Leak, jedes Ereignis, das zur Krise aufgebauscht wird oder tatsächlich eine Krise ist, erzeugt kurze Erregungsrülpser – um dann im allgemeinen Weitermachen mehr oder weniger vergessen zu werden. Meist ohne dass sich tatsächlich etwas verändert hat an dem, was als Missstand hochgejazzt oder tatsächlich benannt wurde. Was Leaks zu entwerten droht. Oder wo blieb der nachhaltige Umbruch nach der Finanz- und Griechenlandkrise? Auch die Snowden-Enthüllungen haben hauptsächlich klargemacht, dass man irgendwie nicht so recht etwas tun kann, um Geheimdiensten die digitaler Komplettüberwachung abzugewöhnen. Auch weil der öffentliche Druck nicht gerade enorm war. Auch die jüngsten Enthüllungen der Verstrickung von NSU und Verfassungsschutz haben gute Chancen, folgenlos zu bleiben.

Abstumpfung

Dass das öffentliche Interesse auch hier nicht gerade riesig ist, belegen nicht zuletzt die miesen Quoten für die dazugehörige ARD-Spielfilmreihe plus Doku.

Satiredebatte

Statt dessen wärmt sich schon wieder die Debatte darüber auf, was Satire in Deutschland darf. Anlass: natürlich mal wieder Jan Böhmermann, der es wegen seines Schmähgedicht über Erdoğan nun mit der Staatsanwaltschaft zu tun bekommt. Wo – von Erdoğan über die erpressbar gewordene Kanzlerin bis zu Rassismusvorwürfen an Böhmermann – genug drinsteckt, um sich so richtig schön zu ­empören. Eine Klaviatur, auf der Böhmermann gerne spielt. Wobei seine aktuellen ­Reaktionen – die Absage seines Auftritts bei der Grimme-Preis-Verleihung, das Kontaktieren von Kanzleramtschef Altmaier – nahelegen, dass das Ganze nun auch ihn zu gruseln beginnt.

Übrigens: Mehrere Dezibel leiser gab es diese Woche auch noch eine gute Nachricht. Zum „Hacking-Team“, einem Spionagesoftwarehersteller aus Italien. Dem entzog Italiens Regierung, wie nun bekannt wurde, die Lizenz, seine Produkte weltweit zu verkaufen: Für Exporte von Überwachungstechnik in 46 Länder außerhalb der EU, darunter Ägypten, Malaysia und Kasachstan, muss die Firma künftig im Einzelfall Erlaubnis einholen. Eine Entscheidung, die ein Leak zumindest mit angestoßen hat: Vor einem Jahr wurde aufgrund eines Datenlecks publik, dass das „Hacking Team“ seine Spähsoftware an diverse autoritäre Regime verkauft hatte.

Leaks mit echten Konsequenzen? Na bitte: Geht doch.