LeserInnenbriefe zu verschiedenen Themen

Großes Tierleid

betr: „Tiere als Organspender“, taz vom 6. 4. 16

Es ist erschütternd, dass Sie weder auf das große Leid der Tiere hinweisen, die für diese Versuche gequält und getötet werden, noch auf tierversuchsfreie Forschungsmöglichkeiten, die differenzierter und zielführender anzuwenden wären. Das Problem der tierversuchsfreien Forschung liegt leider häufig darin, dass sie gering geschätzt wird, nur sehr unzureichend finanziert wird und ein aufwendiges Validierungsverfahren durchlaufen muss, während der Tierversuch anerkannt ist, üppig finanziert wird und nicht validiert werden muss. Wir sind es den Tieren schuldig, Tierversuche immer kritisch zu reflektieren und die Möglichkeit der tierversuchsfreien Forschung in der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Astrid Raasch, Berlin

Kniefall

betr.: „Genscher wird mit Staatsakt geehrt“, taz vom 4. 4. 16

Mit Verwunderung nehme ich zur Kenntnis, wie auch die taz sich in den allgemeinen Kniefall einreiht, der dem verstorbenen FDP-Klientel-Machtpolitiker Genscher zuteil wird. „Außenminister der Einheit“, „gelber Pullunder“, meine Güte, sind die Nachrufe austauschbar und langweilig.

Mich wundert es deshalb, weil Genscher bis zu seinem Ende über eine Sache hartnäckig geschwiegen hat. Am 24. Mai 1977 ist Elisabeth Käsemann nach wochenlanger Folter kurz nach ihrem dreißigsten Geburtstag in Monte Grande bei Buenos Aires von Angehörigen der rechtsextremen argentinischen Militärjunta erschossen worden.

Es war der Film „Das Mädchen“ von Eric Friedler, der das Schicksal Elisabeth Käsemanns wieder neu ins Bewusstsein gerufen hat. Der Film zeigt in bedrückender Weise, wie verantwortungslos seitens der deutschen Regierung und ihrem zuständigen Außenminister Genscher mit dem Leben Elisabeth Käsemanns und dem weiterer Gefangener umgegangen worden ist. Viele Verstrickungen werden aufgedeckt: das wirtschaftliche Interesse der bundesrepublikanischen Regierung an der argentinischen Diktatur, die Seilschaften ehemaliger Faschisten oder die Rolle des DFB und seines Präsidenten Neuberger ein Jahr vor der WM in Argentinien. Das Schicksal der deutschen Verschwundenen wie Elisabeth Käsemann wurde dabei als Störfaktor gesehen, der planvoll soweit wie möglich heruntergespielt und ignoriert wurde, um die guten Beziehungen zur Militärjunta nicht zu gefährden.

Ein verkaufter Mercedes zähle mehr als ein Menschenleben, musste der renommierte Theologieprofessor Ernst Käsemann nach dem Tod seiner Tochter verbittert feststellen. Es wäre für Genscher ein Leichtes gewesen, sich für die Freilassung Elisabeth Käsemanns einzusetzen, wie es führende Politiker anderer Länder zugunsten der Gefangenen ihres Landes getan haben.

Stephan Glaser, Tübingen

Soll das Viertel dreckig bleiben?

betr: „Branche im Betongoldrausch“, taz vom 6. 4. 16

Meiner Meinung nach irrt Martin Reeh, wenn er hinter „jeder“ Stadtreparatur nur finstere Vertreter der Immobilienlobbyisten sieht. Das Motto „Das Viertel soll dreckig bleiben“ ignoriert die Not nicht weniger Menschen.

Wer möchte schon in einer Wohnung mit Schimmelpilz und Stadtautobahn leben.

Warum sollen städtebauliche Fehlentwicklungen der Vergangenheit nicht korrigiert werden?

Eine Neugestaltung – Abbruch und Neubau – kann durchaus sozial verträglich gestaltet werden. In der Praxis bleibt immer eine Prüfung vor Ort notwendig. Auch alte Bestandsgebäude können intelligent saniert werden.

Markus Erich-Delattre, Hamburg