Lesben sind auch nur Hipster

QUEER? „Libertine“ ist ein neues Magazin für Lesben. Ein Segment, in dem die Vielfalt auf dem Zeitschriftenmarkt zunimmt – mit variierender Qualität

Zwischen Lifestyle und Kulturkritik: Libertine Foto: Abbildung: Libertine Magazin

von Noemi Molitor

Die Auswahl in Sachen Lesben- und alternative Frauen*magazine wird größer. Neben L-Mag, Missy Magazine und Straight ist Libertine – In Love With Women getreten, das zum Jahreswechsel debütierte.

Libertin – in der französisch geprägten Literaturgeschichte eine Bezeichnung für Freigeister, Dandys und Hedonisten. Neben der Freiheit, anders zu denken, implizierte der Begriff „Libertinismus“ – ähnlich wie „queer“ – auch ausschweifende Sexualität, die sich gängigen Moralvorstellungen widersetzte. Das Magazin Libertine bewegt sich dem Namen entsprechend zwischen hedonistischem Flair und gesellschaftspolitischen Beiträgen. Es nimmt sich die Freiheit, sich nicht zwischen Lifestyle und Kulturkritik zu entscheiden. Das geht zum Teil gut, führt aber auch dazu, dass Superfood-PR auf feministische Kunstprojekte trifft und so an mancher Stelle der von einer Yoga-Expertin kritisierte Selbstoptimierungszwang durch die Hintertür wieder zwischen die Zeilen dringt. Lesben sind eben auch nur Hipster.

Als Zielgruppe nennt Chefredakteurin Juliane Rump Frauen, die sich für Frauen begeistern – ob sexuell oder solidarisch ist dabei zweitrangig. Somit ist das Blatt der Missy scheinbar näher als dem L-Mag, das als „führendes Magazin für lesbische Frauen im deutschsprachigen Raum“ für sich wirbt.

Mit dem Aufmacherthema „Freiheit!“ wirkt Libertine mainstreamkritischer. Der Beitrag „Muslimisch, Queer und Feministisch“ behandelt muslimische Queerness als Selbstverständlichkeit und kritisiert feministische Retter_innenkomplexe und journalistische Schlagzeilenhascherei gleich mit. Dann aber wird es in einem Reisebericht über Jamaika unangenehm: „fröhliche Menschen wo man geht und steht“ werden an der Südküste zwischen „lässigen Kolonialbauten“ gefunden, der Rest der Insel „dümpelt in Armut und Korruption dahin“. Queerer Tourismus, das schrieb die postkoloniale Gendertheoretikerin Jasbir Puar, ist nie unschuldig. Es drängt sich die Frage auf, ob es Reiseberichte ohne Klassizismus und Happinessverklärung überhaupt geben kann und wieso das Genre so selten geopolitisch und kulturhistorisch hinterfragt wird.

Vom Magazin Straight unterscheidet sich Libertine dennoch deutlich. Statt Herrschaftsanalyse finden sich in der aktuellen Doppelausgabe Porträts von Immobilienmaklerinnen und Soldatinnen, Werbung für die lesbische Traumhochzeit auf Mallorca und der Tipp zum Verzicht auf ein zu tiefes Dekolletee im Berufsleben. Mach die Bluse zu, dann klappt es auch mit dem lesbischen Erfolg in Führungspositionen. Straight, das „andere Perspektiven lesbischer und queerer Lebensweisen“ abbilden will, sich als Magazin für Femmes bezeichnet, aber als lesbische Cosmopolitan daherkommt, entleert den Femme-Begriff seiner genderpolitischen Machtkritik. Queer muss dort als Modebegriff herhalten.

Das mehr als zwei Geschlechter symbolisierende Sternchen, führt übrigens von allen erwähnten Magazinen nur die Missy im Schriftbild, die sich auch nicht ausschließlich an Lesben richtet und dabei immer noch am „queersten“ daherkommt.