: Glück in XXL-Dosis für den Rivalen
Clásico Nach der Hommage an den verstorbenen Johan Cruyff ist Barcelona spielerisch nicht auf der Höhe und unterliegt gegen den Erzrivalen Real. Der glaubt trotzdem kaum an die Meisterschaft, dafür aber an die Champions League
Aus Barcelona Florian Haupt
Das warme Licht der Abendsonne wich der Nacht und gab die Bühne frei für die Hommage an den verstorbenen Johan Cruyff. In einem Video reihten Mitglieder seines legendären „Dream-Teams“ um Pep Guardiola, Ronald Koeman oder Michael Laudrup einige seiner legendären Aphorismen aneinander: „Fußball wird mit dem Hirn gespielt.“ Oder: „Das beste Büro ist der Ball.“ Am berühmtesten: „Geht raus und genießt.“ Es folgte minutenlanges Klatschen der 100.000 Zuschauer. Und während sie danach a capella die Klubhymne sangen, bildeten sie ein Mosaik zu seinen Ehren.
Alles verlief nach Drehbuch – nur das Spiel nicht. Barcelonas Mannschaft agierte nicht auf der Höhe des Anlasses beim 231. Duell mit Real Madrid. In einem Clásico der Freestyle-Variante ließ sie Cruyff’sche Prinzipien vermissen, verspielte eine Führung und verlor am Ende sogar trotz Überzahl den Nimbus ihrer Unbesiegbarkeit aus 39 Partien. 1:2 gegen den ungünstigsten Gast für so einen Downer, keine Gala von Neymar und Suárez, kein 500. Tor von Messi; das Trio stapfte nach Abpfiff sofort vom Platz, gruß- und wohl auch ein wenig fassungslos.
„Wir dürfen uns davon jetzt nicht runterziehen lassen“, sagte Gerard Piqué, Barcelonas Torschütze. Ausführliche Schmerzbetrachtungen verbot insbesondere Trainer Luis Enrique – noch pampiger als gewohnt sprach er dem Abend jede größere Dimension ab. „Dieses Spiel ist für mich schon vorbei, es tut schon nicht mehr weh.“ Immerhin bleibt zumindest die tabellarische Bedeutung ja tatsächlich überschaubar – sieben Spieltage vor Schluss liegt Barça immer noch sechs Punkte vor Atlético und sieben vor Real.
Dennoch blieb die schmerzliche Erkenntnis, dem Rivalen in dessen Horrorsaison eine XXL-Dosis Glück injiziert zu haben. Real begann wie das erwartete Opfer, doch es wuchs an der Gunst des Spielverlaufs, insbesondere einer Szene in der 23. Minute, als der Schiedsrichter dem vogelwilden Sergio Ramos nach einem Foul an Lionel Messi die zweite Gelbe Karte nicht gab. Schon vor dem Rückstand durch Piqués Kopfball (50.) hatte Real bei seinen Kontern die besseren Chancen, kurz danach verwertete Karim Benzema eine abgefälschte Vorlage von Toni Kroos zum Ausgleich (62.). Als Ramos in der 84. Minute doch noch vom Platz musste, machte das schon keinen Unterschied mehr. Real war längst auferstanden. Im nächsten Angriff erzielte Cristiano Ronaldo das Siegtor.
Gerard Piqué
Wie er am langen Pfosten eine Flanke von Gareth Bale mit der Brust annahm, den Ball abtropfen ließ und ihn Keeper Claudio Bravo durch die Beine schob, war eines dreifachen Weltfußballers würdig. Wirklich zum Staunen verleitete jedoch sein Stunt in der 40. Minute. Da verteidigte Ronaldo rechts hinten einen gefährlichen Diagonalpass von Messi bei einem Barça-Schnellangriff. Als er danach über den halben Platz auf seine Position links vorne zurücklief, klatschen ihn diverse Mitspieler begeistert ab, als hätten sie gerade ein Fußball-Wunder erlebt.
Arbeit, Teamgeist und bessere Physis predigte der Jungtrainer Zinédine Zidane seit seiner Amtsübernahme im Januar. Alles bekam er geliefert. „Grandios“ nannte er später die Leistung. Dass der Sieg noch zur Meisterschaft reichen könnte, wollte man zwar bestenfalls orakeln. Am „perfekten Schub für unser Selbstbewusstsein“ jedoch gab es nichts zu deuten. Real fühlt sich in Stellung für das eine große Ziel, das diese Saison auch in dunkelsten Stunden noch reservierte: die Champions League. Aus Sicht des VfL Wolfsburg, Gegner am Mittwoch, hätte der Abend im Camp Nou gewiss besser verlaufen können.
Aus Sicht des FC Barcelona sowieso. Dort bleibt die Hoffnung, dass es sich nur um eine Momentaufnahme handelte, geschuldet den strapaziösen Länderspielreisen des südamerikanisches Sturmtrios und einer falschen Lektüre des Spiels. Luis Enrique coachte schlecht, indem er bei seinem einzigen Wechsel den Stabilitätsfaktor Ivan Rakitic vom Feld nahm, und auch die Spieler „waren nicht intelligent“, wie Javier Mascherano selbstkritisch bemerkte. Ansonsten hätten auch sie sich eines Aphorismus von Johan Cruyff erinnert: „Wenn du nicht gewinnen kannst, dann schau’ wenigstens, dass du nicht verlierst.“
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