Saison der Hurrikane

Von NICK REIMER

Zuerst die gute Nachricht: Der Wirbelsturm „Wilma“ hat sich gestern etwas abgeschwächt. Noch am Mittwoch war befürchtet worden, dass sich „Wilma“ mit Windgeschwindigkeiten von über 280 Stundenkilometer zum schlimmsten Hurrikan aller Zeiten entwickeln könnte.

Das aber ist ein Hinweis auf die schlechte Nachricht: „Wilma“ ist der 12. Hurrikan dieser Saison. Damit ist der Rekord von 1969 eingestellt. Seit 1851 werden die Sturmdaten erfasst, dass bisher sturmreichste Jahr war 1933: Von den 21 Tropenstürme entwickelten sich damals aber nur wenige zu Hurrikanen. „Wilma“ ist nun der 21. Tropensturm des Jahres. Die Saison geht im Atlantik aber von 1. Juni bis 30. November. „Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass ein neuer Rekord aufgestellt wird“, sagt Hurrikan-Experte Thomas Sävert vom Wetterdienst Meteomedia. „Zahl und Stärke der Hurrikane nehmen zu – doch mit der globalen Erwärmung hat das nichts zu tun“, hatte der Spiegel nach „Katrina“ geschrieben. „Diese Aussage widerspricht klar dem Stand der Forschung“, sagt Stefan Rahmstorf, der in Potsdam die Rolle der Ozeane beim Klimawandel erforscht. Obwohl endgültige Beweise fehlen: Die Klimadaten machen klar, dass Zunahme und Intensität von Hurrikanen sehr wohl von der globalen Erwärmung beeinflusst werden. „Die Meerestemperaturen in den Tropen sind deutlich angestiegen, im Mittel um ein halbes Grad“, so Rahmstorf. „Dass wärmere Meerestemperaturen zu stärkeren Hurrikanen führen, ist vielfach sehr gut belegt.“ Die Daten würden zudem zeigen, dass es eine Parallelität vom Temperaturanstieg des Meeres und dem Anstieg der Hurrikanenergie gibt. Rahmstorf: „Auf weltweit nie dagewesene Werte.“

Damit nicht genug: Vor zwei Wochen war erstmals ein Hurrikan auf Europa zu gerast. „Noch nie haben wir zuvor einen Hurrikan erlebt, der sich so weit nördlich und so weit östlich bildete“, sagt Michael Klein von Donnerwetter.de. „Wir werden auch in Europa die möglichen Folgen des Klimawandels neu bewerten müssen.“ Rein theoretisch könnten sich Hurrikane auch über dem warmen Wasser des Mittelmeers bilden – und schwer in Europa wüten. Klein: „Bisher waren Meteorologen und Klimaforscher immer davon ausgegangen, dass das unmöglich sei!“

Dass wir vom „Wilma“-Vorgänger „Vince“ so wenig mit bekommen haben, lag daran, dass sich der Sturm über dem vergleichsweise kalten Wasser vor Portugal schnell wieder abschwächte. Der ehemalige Hurrikan zog so nur noch als tropisches Tief über die Südspitze Spaniens hinweg. Dort wurden dann nur noch Windböen mit 81 Stundenkilometern gemessen.

„Wilma“ wird heute nach Berechnungen des Hurrikan-Zentrums in Miami (Florida) zwischen der Nordspitze von Yukatan und Westkuba den Golf von Mexiko erreichen. Dann werde der Hurrikan nach Nordosten schwenken und voraussichtlich am Samstag über Florida sein. Die Gegend um New Orleans, der „Katrina“ schwer zu gesetzt hatte, bleibt diesmal offenbar verschont. Dort wurde gestern vier weitere Leichen geborgen. Damit erhöhte sich die Opferzahl von „Katrina“ auf 1.281.

Wissenschaftler sehen Anzeichen dafür, dass sich „Wilma“ noch einmal verschärfen wird. Kuba begann am Mittwoch mit der Evakuierung von 235.000 Bewohnern der westlichen Provinz Pinar del Rio. Im mexikanischen Badeort Cancún wurden 30.000 Touristen zur Abreise aufgefordert, alle Flüge dahin storniert. Die letzte Hurrikankatastrophe hatte Kuba erst im Juli mit Schäden in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar getroffen. Mexiko war zuletzt vor zwei Wochen dran: „Stan“ holte sich 60 Menschenleben.

„Wilma“ ist der letzte Name auf der ursprünglichen Hurrikanliste 2005. Für weitere Stürme müsste das griechische Alphabet verwendet werden. Auch das wäre noch nie da gewesen.