Flüchtlinge in Bremen: Warten auf Unterricht

550 Jugendliche und 146 Kinder der Geflüchteten in Bremen sind derzeit ohne Schulplatz. Bis August soll sich das geändert haben.

Warten auf einen Platz in der Schule: geflüchtete Kinder Foto: dpa

BREMEN taz | „Bis August werden alle Schulpflichtigen unter den Geflüchteten in Bremen einen Schulplatz haben“, prognostiziert Annette Kemp, Pressesprecherin der Bildungssenatorin Claudia Bogedan. In einer Pressemitteilung ergänzt sie: Das gelte natürlich auch für diejenigen unbegleiteten minderjährigen Ausländer, die aktuell nach Bremen kommen. Derzeit gebe es in 21 Notunterkünften der Hansestadt noch 550 Jugendliche und 146 Kinder, die unbeschult seien.

Als Sofortmaßnahme, so Kemp, seien gerade zehn LehrerInnen neu eingestellt worden, die nach den Osterferien 20 neue Vorkurse für 320 Jugendliche starten würden, um ihnen erste Deutschkenntnisse zu vermitteln.

Allerdings sind nur zehn Stunden Unterricht pro Woche vorgesehen, regulär ist das Doppelte. Zu wenig pädagogische Fachkräfte? „Nein“, sagt Kemp, „Lehrer dafür zu finden, ist in Bremen noch kein Problem, aber die Finanzierung. Der Haushalt für 2016 ist ja immer noch nicht beschlossen, deswegen müssen wir mit dem Geld auskommen, das wir noch haben – und das reicht nur für dieses eingeschränkte Angebot.“ Zudem fehle es an Unterrichtsräumen. In der Berufsschule müsse bereits auf die Nachmittage ausgewichen werden.

Für die Jüngsten unter den Geflüchteten wird daher auch die Hausbeschulung ausgeweitet, von der derzeit 308 Kinder profitieren. Zusätzliche HauslehrerInnen, zumeist Lehramts-Studenten vor dem 2. Staatsexamen, sollen „nach den Osterferien in den Notunterkünften Gerhardt-Rohlfs-Straße im Norden und an der Otto-Hahn-Allee an der Universität mit ihrer Arbeit starten“, teilt die Senatorin mit.

Die Vorkurs-SchülerInnen in Bremens allgemeinbildenden Schulen kamen 2014/15 aus folgenden Ländern:

Syrien: 169

Bulgarien: 78

Polen: 68

Serbien: 63

Kosovo:49

Albanien: 31

Afghanistan: 28

Deutschland: 27

Mazedonien: 25

Irak: 25

Iran: 22

Die Muttersprachen der SchülerInnen:

Arabisch: 143

Kurdisch: 105

Polnisch: 73

Albanisch: 72

Serbisch: 66

Bulgarisch: 41

Türkisch: 40

Turkmenisch: 40

Persisch: 36

Russisch: 34

Englisch: 31

Spanisch: 24

Rumänisch 17

Französisch: 17

Roma: 16

Dari: 16

Mazedonisch: 15

Warum wirkt die Politik bereits mit der Sprachschulung als erster Integrationsmaßnahme derart überfordert? „Das liegt an der Welle der stetig steigender Flüchtlingszahlen im letzten Jahr“, erklärt Kemp, darauf sei man personell nicht vorbereitet gewesen. Der Peak sei nun allerdings überschritten und das Einwohnermeldeamt könne erst mal den Anträgeberg abarbeiten. „Aber für uns ist die Registrierung keine Voraussetzung mehr für den Schulplatz oder die Aufnahme auf diesbezügliche Wartelisten“, so Kemp.

„Aktuell werden 2.050 Schülerinnen und Schüler in 92 Vorkursen der allgemeinbildenden Schulen (jeweils 43 in Grundschulen und der Sekundarstufe I sowie sechs in den gymnasialen Oberstufen) und 52 der berufsbildenden Schulen unterrichtet“, lautet die Erfolgsmeldung der Senatorin. In Grundschulen sind diese Vorklassen für jeweils zehn Kinder und auf ein halbes Jahr ausgelegt, für die Älteren auf ein Jahr. Dann sollen sie in Deutsch so fit sein, um komplett in die Regelklassen ihrer Altersgenossen wechseln zu können. „In vielen Grundschulen läuft die Integration schon während der Vorkurse sehr gut, gerade in Stadtteilen wie Gröpelingen oder Osterholz, wo die Lehrkräfte seit Jahrzehnten mit Internationalität gut umgehen können“, freut sich Kemp.

Die über 16-Jährigen bekommen ihre auf 16 Teilnehmer angelegten Sprachkurse in der Berufsschule, um in zwei Jahren auch peu à peu in berufsvorbereitenden Unterricht eingebunden zu werden. Und was ist mit denjenigen, die nach den Vorkursen noch nicht verständigungssicher sind? Kemp: „An anschließender Sprachförderung hapert es tatsächlich, da fehlen uns die Mittel, das zu finanzieren.“

Gibt es zu wenig pädagogische Fachkräfte? „Nein“, sagt das Ressort, „Lehrer zu finden, ist noch kein Problem“

In den letzten zwei Jahren sind bereits knapp 3.000 Geflüchtete in Bremer Schulen aufgenommen worden. Das habe bisher deswegen funktioniert, meint Kemp, „weil die Schülerzahlen in Bremen ja seit Jahren sinken, aber diese demografische Rendite ist aufgebraucht, jetzt brauchen wir mehr Lehrer“, erklärt Kemp.

Bereits 2016 würden 120 Lehrkräfte neu angestellt, weitere 80 durch Umorganisationen zurück an die Tafeln geholt. Was aber nicht nur den Geflüchteten geschuldet sei, sondern der Schulreform, einer Reduzierung von Ausfallstunden und der Ausweitung der Ganztagsschulen.

Von den Flüchtlingen profitieren letztlich auch die Lehrer. An den Volkshochschulen, die bundesweit Hauptanbieter von Erstsprachkursen sind, bekommen freiberufliche, im Krankheitsfall ungeschützte Dozenten in der Regel nicht mehr als 30 Euro die Stunde. Da wechseln sie gern in sozialversicherungspflichtige Anstellungen an den Schulen. „Von 100 Honorarkräften, die bei uns die 350 Module der Integrationskurse leiten, sind bereits 20 weg“, bestätigt Jens Grund, Sachbearbeiter für den Bereich „Deutsch als Fremdsprache“ bei der VHS Bremen. Noch müssten keine Kurse ausfallen, da bereits verrentete Lehrer den Personalmangel ausgleichen würden. „Darunter leidet natürlich der Unterricht, denn es müssen sich immer alle erst neu einarbeiten“, sagt Grund.

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