Mehringdamm
: Einen Euro gespart

„Hau ab, du Zwerg“, sagt sie

„Faster Pussycat“ ziert groß die Fensterfront eines Ladens mit Billigklamotten für Girlies oder solche, die sich dafür halten, auf dem Mehringdamm. Mit dem Rücken zum Schaufenster steht ein Penner. Sein Gesicht ist mit einem Zwei-Jahres-Bart und ebenso lang nicht geschnittenen Haupthaaren zugewuchert. Er verschränkt die Arme und tritt von einem Fuß auf den anderen. Er bettelt nicht, er friert nur.

Ich gehe in die Commerzbank an der Ecke Gneisenaustraße. Hinter der Schalterdame sitzt ein Praktikant und starrt gelangweilt aus dem Fenster. Der Computer ist aus dem letzten Jahrhundert und funktioniert nur nach gutem Zureden, und ich denke, dass diese Filiale ziemlich runtergekommen ist, seitdem sie sich ihre Kunden vom Leib hält. Vielleicht geht es der Commerzbank ja auch schlecht. Vielleicht sollte man für sie spenden?

Der Penner steht immer noch vor Pussycat. Ich füge mich unauffällig ins Straßenbild ein und stehe auch ein wenig herum. Ein mit einem Baldachin überdachter Handwagen voller Bücher steht ebenfalls da, aber schon länger als ich. Er erinnert mich an den Gemüsekarren, mit dem der dadaistische Boxer Arthur Cravan durch Paris gezogen ist, um seine kleine Literaturzeitung Maintenant zu verkaufen. Eine Kasse befindet sich auch auf dem Wagen. Tatsächlich stöbert jemand mit praktischer Umhängetasche durch die abgegriffenen Taschenbücher. Ein Schlenderer versucht die Kasse mitzunehmen, aber sie ist festgeschraubt. Einen Euro kostet das Buch. Ein Schnäppchen. Der Mann mit der praktischen Umhängetasche hat eine Schwarte gefunden, steckt sie ein und schwingt sich auf das Fahrrad. Wieder einen Euro gespart.

Vor „Leckerback“ steht ein Pärchen und trinkt einen Coffee to go. Dann verabschieden sie sich. „Hau ab, du Zwerg“, sagt sie. Der Zwerg haut tatsächlich ab. Der Penner steht immer noch da

KLAUS BITTERMANN