Kein Laissez-faire

Niedersachsen stellt als Erstes im Norden Studiengebührengesetz vor: Absage an Freiwilligkeit der Erhebung. Unis müssen Einheitspreis nehmen. Langzeitstudenten zahlen drauf. Nur Bremen generös

von Eva Weikert

Lutz Stratmann sieht sich als Vorreiter. Als Erster unter seinen norddeutschen Kollegen hat der niedersächsische Wissenschaftsminister sein Studiengebührengesetz vorgelegt. Die Nachbarn würden das Modell „kopieren“, sagte der CDU-Politiker bei der Präsentation Anfang Oktober selbstbewusst, „weil wir hier am weitesten sind“. Für die Studenten ist das indes nicht zu hoffen, da Stratmanns Gesetzentwurf zusätzliche Härten enthält.

Im Norden will vorerst nur das SPD-CDU-regierte Bremen am gebührenfreien Erststudium festhalten und es bei einer Abgabe für Langzeitstudenten und Auswärtige belassen. Die große Koalition in Kiel hat sich dagegen darauf verständigt, „eine Insellösung“ zu vermeiden und „in überschaubarer Zeit“ Gebühren einzuführen, so Ministeriumssprecher Harald Haase: „Wir gucken erst mal mit Spannung, wie Niedersachsen und Hamburg das machen.“ Die CDU-regierte Hansestadt hat die Aufhebung des bundesweiten Gebührenverbots vor Gericht mit erstritten und will demnächst ihr Gebührenmodell vorstellen.

In Niedersachsen soll die Novelle noch in diesem Jahr den Landtag passieren, wünscht sich die schwarz-gelbe Landesregierung. Von einem Gebührenkorridor ist nicht mehr die Rede. Ursprünglich sollte den Hochschulen kein fester Betrag, sondern nur ein Limit von 500 Euro pro Semester vorgeschrieben werden, so dass die Studenten Preisauswahl gehabt hätten. Stattdessen hat sich Stratmann auf eine Einheitsabgabe von 1.000 Euro jährlich festgelegt, die die Hochschulen – auch anders als zuvor avisiert – nicht freiwillig erheben können, sondern müssen.

Stratmanns Sprecherin, Meike Ziegenmeier, begründet die rigideren Vorgaben mit der „Einschränkung rechtlicher Risiken“. Unterschiedliche Preise an den 21 staatlichen Hochschulen oder kostenlose Angebote könnten zu „enorm vielen“ Klagen von Studenten führen. „Mit guten Erfolgschancen“, sagt sie, „denn es ist schwer nachzuweisen, warum Jura an einer Uni besser sein soll als an der anderen.“

Zahlen müssen ab Wintersemester 2006/2007 zunächst nur die Erstsemester, alle zum heutigen Zeitpunkt Eingeschriebenen werden ab April 2007 zur Kasse gebeten. Nach mehreren Gerichtsurteilen, unter anderem zu Langzeitstudiengebühren, genössen von Gebühreneinführungen Betroffene Vertrauensschutz und müssten vor der Erhebung rechtzeitig informiert werden, erläutert Ziegemeier. „Ein Jahr im Voraus halten wir für rechtssicher.“

Wer sich im Studium Zeit lässt, für den wird die Ausbildung an den niedersächsischen Hochschulen künftig noch teurer. Denn anders als in Hamburg, wo der Senat bisher stets versichert, die Langzeitstudiengebühr werde mit Einführung des allgemeinen Bezahlstudiums abgeschafft, besteht Hannover auf der Sonderabgabe. Als Langzeitstudent zahlt derzeit jeder pro Semester 500 Euro, sobald er seine Regelstudienzeit um zwei Jahre überschritten hat. In Zukunft erhöht sich dieser Betrag um jeweils 100 Euro in den beiden Folgejahren. Danach kostet das Semester pauschal 800 Euro.

Die Landesregierung rechnet damit, dass den Hochschulen ab 2007 jährlich etwa 125 Millionen Euro aus Gebühren zufließen. In einem „Zukunftspakt“ hat sie ihnen staatliche Zuwendungen auf dem Niveau von 2005 für die nächsten fünf Jahre zugesichert.

Aus Sicht der Hochschulen kommt aber eine kleinere Summe heraus. Denn sie müssen sechs Prozent ihrer Einnahmen in einen Fonds einspeisen. Dieser soll für Ausfälle herhalten, wenn frühere Hochschüler den vom Land offerierten Kredit für die Gebühren nicht tilgen können. Bis zu 15.000 Euro verleiht die Landestreuhandstelle zu einem aktuellen Jahreszins von 5,5 Prozent an alle, die jünger als 35 und immatrikuliert sind. Die Stundung erfolgt einkommensabhängig nach dem Examen.

Stratmanns Gesetzentwurf enthält zudem eine Regelung darüber, bestimmte Personengruppen von der Gebühr zu befreien. Umsonst studieren Eltern und Studenten, die pflegebedürftige Angehörige betreuen.

Die grüne Opposition im Landtag beklagt, dass für die Ausfälle allein die Hochschulen geradestehen müssen. Ihre Einnahmen drohten um 15 Millionen Euro zu schrumpfen. Zugleich verhindere die Landesregierung damit „jede Zugangsgerechtigkeit“, warnen die Grünen, denn aufgrund der Geldnot hätten die Lehrstätten ein Interesse daran, möglichst wenig Härtefällen einen Platz zu spendieren.