Wenig Hoffnung auf Gehör

Zum elften Mal haben Jugendliche die Plätze der Bürgerschaftsabgeordneten eingenommen und Vorschläge erarbeitet. Ihre Erfolgsaussichten sind gering: Kaum eine der „Jugend im Parlament“-Forderungen der letzten Jahre wurde umgesetzt

Haupt- und Realschüler sind im Jugendparlament kaum vertreten

Von Kristina Allgöwer

Einiges war in dieser Woche in der Bürgerschaft anders als sonst: Kapuzenpullover und Baseball-Kappen waren zu sehen, wo ein orangefarbenes T-Shirt üblicherweise schon zu Ordnungsrufen führt. Die bei vielen Abgeordneten heiß begehrten Sitze in der ersten Reihe des Plenums blieben die meiste Zeit unbesetzt. Der Bürgerschaftspräsident musste sich einem Misstrauensantrag stellen. Und vom Rednerpult aus wurde das Plenum wiederholt mit einem forschen „Hey“ begrüßt.

121 Jugendliche hatten fünf Tage lang die Plätze der Abgeordneten eingenommen: Zum elften Mal veranstaltete die Hamburgische Bürgerschaft das Politik-Planspiel „Jugend im Parlament“. Schüler, Auszubildende und Zivildienstleistende zwischen 15 und 21 Jahren konnten sich um die Teilnahme bewerben. In selbst gewählten Ausschüssen berieten die Nachwuchspolitiker Themen aus den Bereichen Stadtentwicklung, Bildung, Inneres, Familie und Jugend, Wirtschaft und Soziales. Die Ergebnisse übergaben sie gestern in Form einer 32-seitigen Resolution dem Bürgerschaftspräsidenten Bernd Röder.

Die Köhlbrandbrücke solle zu Stoßzeiten für den Pkw-Verkehr gesperrt werden, fordert darin der Wirtschaftsausschuss der Jugendlichen. Der Bildungsausschuss will den Beamtenstatus der Lehrer aufheben und diese für Praktika in Betriebe schicken. Ein Gütesiegel für kinderfreundliche Restaurants und Einkaufszentren möchte der Familienausschuss durchsetzen. Und der Innenausschuss will jenen Diskotheken einen Teil der Gewerbesteuer erlassen, die ein absolutes Waffenverbot einhalten. Wenn einzelne Ideen in den Fraktionen aufgegriffen werden, laden die „echten“ Fachausschüsse die Vertreter von „Jugend im Parlament“ ein, ihre Resolutionen dort ausführlich vorzustellen.

Was die Umsetzung ihrer Vorschläge betrifft, sind viele der Jungendlichen allerdings wenig optimistisch: „Ich glaube eher nicht, dass unsere Ideen in der richtigen Bürgerschaft Gehör finden“, sagt die 16-jährige Tessa Hofmann, Gymnasiastin und vorübergehend Vorsitzende im Stadtentwicklungsausschuss. Die Erfahrung gibt ihr Recht: Nur wenige der mehreren hundert Forderungen aus den letzten Jahren wurden realisiert. Die längeren Fahrzeiten von Bus und Bahn in der Nacht fallen Bernd Röder als einziges Beispiel ein. Die Resolution sei aber bereits mit einem Eingangsstempel versehen und damit eine formale Drucksache des Parlamentes.

Umso erstaunlicher, mit welchem Engagement die Jugendlichen ihre Ideen im Plenum vortrugen und mit Änderungsanträgen um Details feilschten. Eine Niederlage musste dabei der Sonderausschuss Feuerbergstraße hinnehmen: Die Forderung, die Geschlossene Unterbringung „aufs Land“ zu verlegen, da dort die Fluchtgefahr geringer sei, schmetterten die jungen Abgeordneten ab. Ein Hamburger Problem müsse man auch in der Stadt lösen.

Auf das große Interesse der Jugendlichen an der Aktion lasse auch die Zahl der Bewerbungen schließen, so Marco Wiesner vom Öffentlichkeitsreferat der Bürgerschaftskanzlei. Aus knapp 200 Anmeldungen habe man die Teilnehmer auswählen müssen. Stark unterrepräsentiert seien allerdings Real- und Hauptschüler. Dabei würden an alle Hamburger Schulen Broschüren mit Anmeldeformularen geschickt. Ob diese dann auch immer an die Jugendlichen weitergegeben würden, bezweifelt Wiesner. „Vielleicht sind diese Schüler aber auch weniger an Politik interessiert.“ Gemeinsam mit der Schülerkammer wolle die Bürgerschaftskanzlei nach Lösungen für das Problem suchen.

Geteilter Meinung sind die jungen Abgeordneten beim Resümee. „Ich hatte mir mehr erwartet“, sagt die 18-jährige Dagmar Bahr. Einige der Teilnehmer seien einfach zu jung gewesen. Über die Finanzierung kostspieliger Ideen habe sich kaum jemand Gedanken gemacht. Auch seien einige Gesprächstermine mit Experten aus den Fraktionen geplatzt. Der ebenfalls 18-jährige August Hüners sieht das anders. Er habe beim Planspiel viel darüber gelernt, wie Politik gemacht wird, und seine Forderung nach mehr Unterstützung für Jugendarbeit im Ausschuss durchgesetzt.

Im Mai 2006 werden die jungen Hamburger in einer halbtägigen Vollversammlung erfahren, was von ihren Vorschlägen übrig geblieben ist.