Zynisch unsozial

Wirtschaftssenator Uldall ist platt wegen Schließung des Alu-Werks. Investor Großmann beteuert Seriosität und Nachhaltigkeit seines Angebots. Bürgermeister von Beust sieht die Grenzen der Politik erreicht

Von Sven-Michael Veit

Gunnar Uldall wird noch mal zum Kapitalismuskritiker: „Sozial unverantwortlich und zynisch“ findet Hamburgs CDU-Wirtschaftssenator die Schließung des Hamburger Aluminium-Werks (HAW). Er sehe darin sogar, so Uldall, „einen Verstoß gegen die Sozialverpflichtung des Eigentums, wie sie im Grundgesetz definiert ist“. Ungewohnt harsche Worte des 64-Jährigen, der sich wochenlang intensiv in die Verhandlungen zur Rettung des Werks und der etwa 440 bedrohten Arbeitsplätze eingeschaltet hatte.

Vergeblich. Statt der für gestern Nachmittag vorgesehenen Verhandlungsrunde zwischen den HAW-Eigentümern, dem potenziellen Käufer Georgsmarienhütte und Uldall musste dieser das Scheitern der Rettungsbemühungen eingestehen. Die Gesellschafter Norsk Hydro (Norwegen), Alcoa (USA) und Amag (Österreich) hatten die Gespräche für beendet und die definitive Schließung der HAW zum Jahresende erklärt. Die ersten Kündigungen würden nächste Woche verschickt. „Diese Entscheidung“, gestand Uldall, „ist für mich nicht nachvollziehbar.“

Auch nicht für Jürgen Großmann, Chef der Georgsmarienhütte Holding, die „ein mehrfach nachgebessertes Angebot“ für den Erwerb der HAW vorgelegt hatte. Die Beschäftigten würden „unnötigerweise ihren Arbeitsplatz verlieren“, erklärte Großmann, er selbst aber sehe „jetzt keine Möglichkeit mehr, etwas zu retten“. Sein Angebot sei, im Gegensatz zu den Behauptungen der Gegenseite, „seriös und nachhaltig“ gewesen, beteuerte Großmann (Auszüge siehe Kasten), geplant sei eine Weiterführung der HAW „von mindestens zehn Jahren“ gewesen.

Mit heftigen Vorwürfen vor allem an Mitgesellschafter Norsk Hydro sparten auch die Arbeitnehmervertreter nicht. „Ein mieses Spiel mit den Beschäftigten, dem Investor und der Politik“ warf Jan Eulen von der Gewerkschaft Bau, Chemie, Energie dem norwegischen Staatskonzern vor, der bis zuletzt als härtester Gegner im Verhandlungspoker galt. Dieser habe „nie ein echtes Interesse“ gehabt, glaubt Eulen: „Die wollten die ganze Zeit die HAW platt machen.“

Mit Protesten hatten am frühen Morgen die Beschäftigten des Alu-Werks auf die Nachricht vom endgültigen Aus für ihren Betrieb reagiert. „Wir haben lange um unsere Arbeitsplätze gekämpft und verloren“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Karl-Heinz Dieck. An der Kundgebung vor dem Werkstor in Finkenwerder nahmen rund 100 Mitarbeiter teil. Manche trugen Traueranzeigen für ihr Werk um den Hals, andere stellten Grabkreuze beim Firmeneingang auf.

Die Anodenproduktion und die Elektrolyse im HAW-Werk werden zum Jahresende geschlossen. Die Gießerei mit rund 100 Mitarbeitern will Norsk Hydro jedoch als Zulieferer für sein benachbartes Walzwerk weiterbetreiben, wo rund 500 Mitarbeiter weiterhin beschäftigt werden sollen.

Die Sichtweisen von Uldall und Großmann „erschließen sich uns nicht aus der Faktenlage“, teilte Michael Peter Steffen, Sprecher von Norsk Hydro Deutschland, gestern lediglich mit. Am Dienstag werde Dieter Braun, Chef der Kölner Deutschland-Filiale, seine Sicht der Dinge auf einer Pressekonferenz in Hamburg ausführlich mitteilen.

Resigniert meldete sich auch Bürgermeister Ole von Beust (CDU) aus dem Urlaub schriftlich zu Wort: „Sachliche und betriebswirtschaftliche Argumente spielten keine Rolle mehr“, vermutete er und gestand: „Die Politik ist hier deutlich an ihre Grenzen gestoßen.“