„Grenze des Verantwortbaren“

Kaum eingeführt, leidet der Studiengang Sport unter Professorenschwund. Dabei haben Absolventen gute Berufsaussichten – weil immer mehr Menschen an Bewegungsmangel krank werden

„Wir müssen nur irgendwie das Semester überstehen“, sagt Monika Fikus

Monika Fikus ist verärgert: „Wir sind ziemlich am Ende“, konstatiert die Sportwissenschaftlerin der Uni Bremen. Im laufenden Wintersemester ist Fikus die einzige ordentliche Professorin im Studiengang Sport – bei rund 1.000 Studierenden.

Vor eineinhalb Jahren hatte Monika Fikus noch vier KollegInnen. Doch die Sportmedizin-Professur wurde im Frühjahr gestrichen, auch Pädagogik-Professor Hans-Gerd Artus ist heute im Ruhestand. Jetzt muss er sich selbst vertreten, damit der Studienbetrieb überhaupt noch aufrecht erhalten werden kann. Das Wissenschaftsressort hat die Berufung eines Nachfolgers vorerst auf Eis gelegt: Im Wissenschaftsplan der kommenden fünf Jahre fehlen 100 Millionen Euro.

Die Zahl der Prüfungen, so Fikus, ist „ungeheuerlich“. Fast unmöglich, noch einen Platz im Praxisseminar zu bekommen, sagt der AStA. „Wir sind an der Grenze des Verantwortbaren angelangt“, warnt Fikus. Schon machen Gerüchte die Runde: der Studiengang stünde vor dem Aus. Die Hochschulleitung bestreitet dies. „Wir sind nicht akut bedroht“, sagt auch Fikus. „Ich kämpfe um den Erhalt des Faches. Wir müssen nur irgendwie dieses Semester überstehen.“

Schließlich hat ein neuer Bachelor-Studiengang Sport gerade seine ersten rund 140 Studierenden aufgenommen. Nicht mehr nur für die Bremer Schulen will man hier ausbilden, sondern vor allem für den wachsenden Markt im Gesundheitswesen. „Das Fach hat an Bedeutung gewonnen“, so Fikus.

Die Statistiken geben ihr Recht. Mindestens ein Drittel aller Gesundheitskosten gehen heute auf Kosten von Krankheiten, die von Übergewicht, Fehlernährung und Bewegungsmangel verursacht werden, heißt es im Verbraucherministerium. Kinder und Jugendliche bewegen sich heute nur noch halb so viel wie noch vor 15 Jahren. Zwei von fünf Erwachsenen sind übergewichtig, dazu jedes fünfte Kind, jeder dritte Jugendliche – Tendenz steigend. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht gar von einer Epidemie. Den Dicken gehört die Zukunft.

„Der Bedarf ist da“, betont Fikus, auch über die Chancen der AbsolventInnen auf dem Arbeitsmarkt äußert sie sich optimistisch. „Die Nachfrage müsste extrem steigen“ – in der Rehabilitation ebenso wie in der Prävention. Doch dass die Studierenden innerhalb der Regelstudienzeit auch einen Abschluss machen könnten, mag Fikus nicht garantieren: „Ich bin nicht sicher, ob wir das schaffen.“ Gerade der neue Bachelor-Studiengang sei „sehr Lehre intensiv“. Zwar ist die Zahl der Erstsemester gegenüber dem vergangenen Jahr mit rund 180 weitgehend konstant geblieben. Doch die Sportler haben vier DozentInnen weniger als im letzten Wintersemester.

Die Hochschulleitung sieht das anders, spricht von „relativ vielen“ wissenschaftlichen Mitarbeitern im Studiengang Sport. „Die Lage ist nicht dramatisch“, sagt Petra Schierholz, an der Uni Bremen zuständig für Hochschulentwicklung und Kapazitätsplanung. Für „Schwarzmalerei“ gebe es keinen Anlass, auch wenn es in einigen anderen kleinen Fächern nicht viel besser aussieht als bei den SportlerInnen.

Hoffnung auf Besserung gibt es wenig: In den kommenden fünf Jahren stehen weitere 31 der derzeit 276 Professuren an der Uni Bremen auf der Streichliste, nicht alle Studiengänge werden wohl auf Dauer erhalten bleiben. Bereits gestrichen wurde das Hauptfach Linguistik, obwohl Bremen neben Kiel als einzige norddeutsche Universität dieses Fach anbietet. Auch die Philosophie stand noch im Frühjahr vor dem Aus und lebt nun als Bachelor-Studiengang fort. Weitere Entscheidung stehen noch aus – bis zum kommenden Frühjahr.

Jan Zier