In Idomeni will niemand zurück

Grenze Die Menschen im Zeltlager sind entsetzt über die Aussicht, von der EU bald zurück in die Türkei geschickt zu werden

AUS IDOMENI Erich Rathfelder

„In die Türkei zurück, bist du verrückt?“ Der 26-jährige Palästinenser Momir Samir Muhammed will nicht nach „Asien“. Die Leute im Lager Idomeni wissen, dass die EU mit der Türkei ein Abkommen treffen will, doch sie sind wachsam. „Wir haben es immerhin nach Griechenland geschafft, in Asien ist es doch überall gefährlich“, fügt Momir hinzu.

Alle umstehenden Flüchtlinge zeigen sich entsetzt über die Aussicht, in die Türkei abgeschoben zu werden. Sie wollen nicht einmal das Lager Idomeni verlassen. „Wir harren hier aus, ob das nun Wochen oder Monate dauert, wir wollen in Europa bleiben“, sagen sie. „Wir leben zwar hier im Dreck“, sagt eine Frau, die ein dreijähriges Kind im Arm hält, „aber wir geben nicht auf.“ Alle nicken zustimmend.

Kemal M., ein 32-jähriger Kurde, hält die Türkei für einen Terrorstaat, „da ist niemand seines Lebens sicher“, auch er will hier bleiben. Sie wissen zwar nicht, dass auch internationale Juristen und der UNHCR Massenabschiebungen als Bruch des internationalen Rechts ansehen. Das Prinzip der Nichtzurückweisung gelte nach diesen Stimmen vor allem, wenn den Abgeschobenen dort schwere Menschenrechtsverletzungen drohten.

Doch die Flüchtlinge spüren, welche Gefahr jetzt droht. „Wenn die Griechen das Lager auflösen wollen, dann müssen sie dies gewaltsam tun. Wir werden uns wehren.“ Viele weigern sich sogar, in die am Mittwoch und Donnerstag von Ärzte ohne Grenzen aufgestellten wasserdichten Großzelte umzuziehen. „Das Geschrei der Kinder kann ich nicht ertragen, vor allem Frauen und Kinder sind dort“, sagt der 58-jährige Syrer Muhammed Abdullah, „und außerdem sollten Frauen und Männer getrennt schlafen.“

In den kleinen Zelten könne man sich wenigstens wärmen, in den Großzelten ist es zu kalt.“ Das Wetter ist besser geworden, in den nächsten Tagen soll es endlich trocken und wärmer werden. Das Lagerleben verstetigt sich. Manche haben vor ihren Zelten Schutzdächer aus Wolldecken gebastelt, an den Feuerstellen wird Wasser für den unentbehrlichen Tee gekocht. Fliegende Händler verkaufen Obst und andere Lebensmittel, Friseure schneiden die Haare.

Die freiwilligen internationalen Helfer sind weiterhin emsig dabei, die Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Momir Samir Muhammed sehnt sich nach einem „normalen Bett in einem Hotel“, er will sich duschen und rasieren, aber nach ein par Tagen käme er wieder hierher zurück, betont er. Mehr als die Hoffnung bleibt ihm nicht.