Polizei bekommt chilischarfe Abreibung

So kann’s gehen: Rechte Jugendliche greifen eine mexikanische Ska-Band an, alles andere als erfolgreich. Die herbeigerufene Neuruppiner Polizei unterstellt den Musikern, selbst Täter zu sein. Und wird später von der Staatsanwaltschaft zurückgepfiffen

von DAVID DENK

Zur falschen Zeit am falschen Ort war die mexikanische Ska-Band Panteón Rococó“, als sie am Sonntag gegen vier Uhr früh auf der Autobahnraststätte Linumer Bruch eine Pause einlegte. Auf der Toilette zogen zwei Mitglieder der 20-köpfigen Gruppe den Zorn von sechs jungen Männern rechter Gesinnung auf sich, die nach taz-Informationen schon vorher Ärger gesucht hatten.

Bandkollegen und Crew stellten sich den angetrunkenen Männern entgegen – zunächst passiv, später wehrten sie Angriffe auf einzelne Musiker ab. Neonazis verprügeln Mexikaner, das ist nur der Anfang der Geschichte, was vor allem an der fragwürdigen Reaktion der herbeigerufenen Neuruppiner Polizei liegt.

„Mein Eindruck war von vornherein, dass wir nicht nur als tatverdächtig, sondern als Täter gelten“, erinnert sich Humberto Pereira, Tourmanager von Panteón Rococó. Die Polizei habe ihren Tourbus mit drei Streifenwagen umstellt und ihnen sofort die Pässe abgenommen. „Ein Beamter hat uns erklärt, dass für ihn die Sache klar ist: 6 Leute legen sich einfach nicht mit 15 Leuten an – sondern umgekehrt.“

Nachdem Band und Crew etwa neun Stunden nach ihrer Ankunft an der Raststätte endlich das Polizeipräsidium in Neuruppin verlassen durften, fertigte Pereira ein Gedächtnisprotokoll an. Interessant ist, wie Pereira sein Gespräch mit einem der Polizisten wiedergibt: „Sie müssen das so sehen: Da gibt es zwei Gruppen – eine linke und eine rechte. Die einen haben eine große Klappe gehabt und haben sich mit der anderen angelegt und, nun ja, haben dafür dann ja auch einen auf die Klappe bekommen. Dabei könnte man es doch belassen.“ Der Beamte habe ihnen also ausdrücklich von einer Anzeige wegen schwerer Körperletzung abgeraten. Pereira ließ sich tatsächlich von einer Anzeige abbringen, bestand aber auf einer Zeugenaussage im Rahmen des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens wegen gefährlicher Körperverletzung.

Von einem fremdenfeindlichen Motiv wollte die Polizei in Neuruppin zunächst nichts wissen. Das sieht der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher allerdings ganz anders. „Die Einschätzung der Polizei, dass hier kein fremdenfeindlicher Hintergrund vorliegt, teilen wir nicht“, sagt er. Die Ausländereigenschaft der Mexikaner sei „ein gewisser Katalysator“ gewesen.

Die Ermittlungsunterlagen habe die Staatsanwalt daher an die Polizei zurückgesandt. Wenn man den Schutzbereichsleiter der Neuruppiner Polizei, Dieter Karler, danach fragt, reagiert er einsilbig: „Wir teilen selbstverständlich die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft.“

Und räumt ein: „Wir schließen nicht aus, dass unseren Ermittlungen eine nicht korrekte oder allumfassende Beurteilung zugrunde lag.“ Ein Einzelfall? Laut Karler schon. Also werden in Neuruppin keine Menschen in Ermittlungen benachteiligt, weil sie Ausländer sind? „Das ist richtig.“ Judith Gleitze vom Flüchtlingsrat Brandenburg ist anderer Meinung: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Polizei Opfer zu Tätern macht.“