LeserInnenbriefe
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Kein Vorbild

betr.: „Wagt die Enteignung“, taz vom 26. 2. 16

Die Hauszinssteuer der Weimarer Zeit ist kein Vorbild für die Finanzierung bezahlbaren Wohnraums, ganz im Gegenteil! Die Hauszinssteuer bezahlten die Mieter_innen in den Mietskasernen der Berliner Innenstadt mit der Miete. Vermieter_innen leiteten sie nur an den Staat weiter. Die Steuer machte 30 bis 50 Prozent der Miete in den Altbauten aus. Man versuchte also, das Geld für den Wohnungsneubau weit überwiegend von denselben Menschen zu holen, deren Wohnraumversorgung man fördern wollte. Die Armen sollten die Verbesserung ihrer Lage selbst bezahlen. Dass das nicht gehen konnte, war abzusehen. Ergebnis war eine dramatisch ansteigende Zahl von Zwangsräumungen. So schreibt das Amtsblatt des preußischen Wohlfahrtsministeriums im Jahr 1931: „Die Wohnungsräumungen haben ein so außergewöhnliches Maß angenommen, dass die Erstellung von weiteren Notwohnungen und Obdachlosenheimen unvermeidlich geworden ist. Die meisten Räumungsurteile sind wegen Mietrückstandes ergangen“.

Die schönen neuen Wohnungen in den mit Mitteln der Hauszinssteuer gebauten Siedlungen aber konnten sich diese Menschen erst recht nicht leisten. Beispielsweise standen in der „Weißen Stadt“ in Reinickendorf Anfang 1932, also in einer Zeit großer Wohnungsnot, viele Wohnungen leer, während sich die vorhandene Mieter_innenschaft aus der Mittelschicht rekrutierte. Das heißt, die proletarischen Bewohner_innen der Mietskasernen bezahlten die Wohnungen der Mittelschicht mit, landeten selbst aber auf der Straße. Eine Verbesserung der Lage der Menschen hätte nur erreicht werden können – und kann auch heute nur erreicht werden –, wenn die andauernd ungleiche und ungerechte Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen, die sich in viel zu niedrigen Löhnen und jämmerlichen Transferleistungen ausdrückt, beendet worden wäre. Das ist die Erkenntnis, die aus der Geschichte gezogen werden kann.

In einem anderen Punkt aber kann die Mie­ter_innenbewegung aus der Weimarer Zeit lernen: Besonders seit Beginn der Wirtschaftskrise wehrten sich immer mehr Menschen durch Blockaden, Kundgebungen und Demonstrationen gegen ihre Zwangsräumung. Der Historiker Simon Lengemann berichtet von mehr als 1.000 Fällen und schlussfolgert, es könne „durchaus von einem massenhaften Phänomen gesprochen werden“. „Die physische Präsenz großer Menschenansammlungen konnte bisweilen bereits genügen, um eine Exmission zu verhindern …“ Anfang der 30er Jahre gab es in Berlin mehrere hundert Mieter_innenräte, die sich gegen hohe Mieten und Zwangsräumungen wehrten.

Nicht nur nebenbei gesagt ist übrigens eine ähnliche Entwicklung wie in der Weimarer Zeit aktuell in den Nachkriegs-„Sozial“wohnungen zu verzeichnen: Die Armen müssen die mit reichlich Steuergeldern errichteten Wohnungen räumen, die Mittelschicht zieht ein. Beispiel Koloniestraße, Beispiel Fanny-Hensel-Siedlung. Fazit: Wer aus der Geschichte des Kapitalismus nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Hier ist es fast noch schlimmer: Hier soll uns ein soziales Desaster als positives Vorbild verkauft werden.

MARGIT ENGLERT, Berlin

Schnelle Verbindungen

betr.: „Die Opposition tritt in die Pedale“, taz.de vom 3. 3. 16

Die Weite der Stadt wäre ja vielmehr Argument für einen Ausbau von Radautobahnen als dagegen. Aber das geht in den Kopf von Geisel nicht rein, weil er sich wahrscheinlich nicht vorstellen kann, dass man 14 Kilometer mit dem Rad fährt. Die beste Therapie: man lädt den Mann ein, eine Radtour quer durch Berlin zu machen, sagen wir mal von der Wuhlheide in Oberschöneweide bis zum Tegeler See. Das sind Luftlinie ca. 22 Kilometer.

Apropos Wuhlheide: von dort bis zum Rosenthaler Platz (eine Strecke von ca 13,5 Kilometer) bin ich mit dem Rad gewöhnlich schneller als mit dem ÖPNV. Das liegt vor allem daran, dass man auf der Köpenicker Chaussee gut vorankommt und dass die Radwege auf der Frankfurter und Karl-Marx-Allee weitgehend vom Fußgängerverkehr abgekoppelt sind und ein zügiges Fahren erlauben.

ATALAYA, taz.de

Fahrradverkehr fördern

betr.: „Die Opposition tritt in die Pedale“, taz.de vom 3. 3. 16

Der Mann ist eine Fehlbesetzung wie der gesamte Senat.

Der müsste Wohnungen, Wohnungen und nochmals Wohnungen bauen lassen, den sozialen Wohnungsbau auf das 20fache ausweiten, der müsste Flüchtlingen den schnellen Zugang zu normalen Wohnungen ermöglichen, statt in Containern und ausgedienten Flugzeuggaragen dauerhafte Parallelwelten der Segregation und Apartheid zu etablieren, der müsste statt Stadtraum zerstörenden Stadtautobahnen den zunehmenden Fahrradverkehr intensivst fördern statt ihn als Katastrophe zu bekämpfen.

STADTLANDMENSCH, Berlinl