Übernachten in der Platte

Im Berliner Bezirk Marzahn wurde eine Plattenbauwohnung zur Pension. Die Idee von Jugendlichen kommt vor allem bei Jugendlichen gut an. Und Marzahn mit dem russischen Supermarkt und den Bands in der Zappa-Straße ist ein guter Reisetipp

Man kann auch die Treppe nehmen. Zehn Stockwerke hoch, auf jedem Absatz ein Fenster. Der Blick geht nicht weit, gegenüber steht ein Plattenbau mit Wohnungen. Einer von vielen. 100.000 Plattenbauwohnungen hat der Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf. In einer davon können Touristen seit einem Jahr Urlaub machen.

„Pension 11. Himmel“ steht auf dem Klingelschild unten an der Tür. Aber da klingelt selten jemand. Am Schild „Hochhauscafé“ schon eher, da befindet sich die Rezeption. Zwei Mädchen erwarten dort die Gäste, kochen auf Wunsch Kaffee und führen sie dann hinauf zu den Zimmern. Zwei Gastzimmer gibt es: eines mit Hängematten und Land-Art an den Wänden, das ist das Bett-im-Kornfeld-Zimmer. Das Königinnenzimmer empfängt die müden Reisenden mit einem Baldachinbett und einem Zimmerspringbrunnen. Auch ein Lesezimmer gibt es mit Belletristik, aber auch Comics. Jeder Gast, der ein Buch durchliest und nicht mehr braucht, kann es hier liegen lassen für den nächsten Urlauber.

An den Wänden der Bibliothek hängen Collagen aus hunderten von Postkarten. Gestaltet von den Kindern und Jugendlichen aus der Nachbarschaft. Sie waren es auch, die die Pension hergerichtet haben. Und am Wochenende putzen sie und bereiten das Frühstück für die Gäste. „Sie machen das wirklich gern“, beteuert Christine Otto, die die Pension 11. Himmel managt.

Kein Wunder, schließlich war es die Idee dieser Kinder, in der leer stehenden Plattenbauwohnung eine Pension einzurichten. Mit Hilfe des Kinderrings Berlin e. V. und der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn/Degewo sowie der Quartiersagentur Marzahn NordWest wurde das Projekt in die Tat umgesetzt. Schnell hat sich der Reiz des Besonderen herumgesprochen.

Mittlerweile sind die Gästebücher gut gefüllt. Besonders junge Westeuropäer übernachten in der Platte. Sie schätzen den exotischen Ort und natürlich den Preis. Nur 8 Euro kostet die Übernachtung pro Person, Frühstück inklusive. Gerne nimmt man da in Kauf, dass das Geschirr vom Trödel stammt und das Speisezimmer mit Plastik-Gartenmöbeln bestückt ist. Gemütlich ist es besonders in der Küche. Da kommen die Gäste am Abend gerne zusammen, lümmeln auf dem Sofa und schwärmen von ihren Exkursionen.

Etwa zum russischen Supermarkt in der Nähe – immerhin wohnen rund 20.000 Russen in Marzahn. Oder sie haben sich Europas größten chinesischen Garten angeschaut, der sich ebenfalls im Bezirk befindet. Und selbst eine Bockwindmühle und eine Dorfkirche gibt es noch. Nicht zu vergessen das berühmte Orwo-Haus in der gerade zur Frank-Zappa-Straße umbenannten Straße Nr. 13. Hier proben viele Berliner Nachwuchsbands. Im Stadtteil Ahrensfelde-Süd wiederum kann man anschauen, was aus verwaisten Elfgeschossern wird, wenn man sie bis zum 4. Stock abrasiert und zu Stadtvillen umbaut. Und bald gibt es auch noch Berlins größtes Einkaufszentrum in der Nähe. Genug Programm also für ein paar Ferientage in Marzahn.

CHRISTINE BERGER

Pension 11. Himmel, Wittenberger Str. 85, Berlin-Marzahn, Tel. (0 30) 93 77 20 52, pension-11himmel@freenet.de, www.pension-11himmel.de