Neue Kohle braucht das Land

Geld Sachsen-Anhalt ist in einer Dauerkrise. Das soll sich ändern. Ex-AfDler und Alfatier Bernd Lucke will eine Regionalwährung einführen. Doch wie soll die aussehen?

von Andreas Rüttenauer

Bernd Lucke hat in dieser Woche mal in Halle vorbeigeschaut. Das wurde ja auch höchste Zeit. So richtig herumgesprochen hat es sich in Sachsen-Anhalt noch nicht, dass der ehemalige AfD-Chef seine neue Partei ins Rennen um Stimmen bei der Landtagswahl am 13. März geschickt hat. Die heißt Alfa (Allianz für Fortschritt und Aufbruch) und ist auf den Wahlzetteln nur schwer zu übersehen. Listennummer 5 hat die Partei und steht damit noch oberhalb der AfD. Doch während die Partei, in der nach ihrem Rechtsruck kein Platz mehr war für ihren Gründer Lucke, sich weiterhin im Umfragehoch befindet, wird Alfa am Wahlabend wohl nur wenig Grund zum Feiern haben. Daran wird auch Luckes neuer Vorschlag nicht allzu viel ändern. Seine exklusive Idee für Sachsen-Anhalt: eine neue Währung.

Der Wirtschaftsprofessor und Abgeordnete im Europäischen Parlament denkt dabei an eine Parallelwährung zum Euro, die vor allem die Geschäfte innerhalb des Bundeslands ankurbeln soll. Der Mitteldeutschen Zeitung aus Halle hat er sein Konzept erläutert. Die Bürger Sachsen-Anhalts sollen demnach in die Lage versetzt werden, Waren und Dienstleistungen aus der Region günstig zu erwerben. Ziel wäre es, die Kaufkraft in der Region zu steigern. Ihm schwebt ein Regionalgeld vor, das die wirtschaftliche Kraft des Landes abbilden soll, so schreibt es die Mitteldeutsche Zeitung. Da diese wohl nicht allzu stark ist, bestehe die Möglichkeit, die Währung auch abzuwerten.

Auch wenn der überraschende Vorschlag des Wirtschaftsprofessors gewiss keine Wende im Wahlkampf herbeiführen wird – wer lässt sich schon gerne abwerten? – , so taugt er dennoch als Anlass für schöne Gedankenspiele. Wie könnte eine neue Währung für das Land heißen? Sachsen-Anhaltaler? Frühaufstehergulden? Zahlt man bald auf Hallore und Pfennig in Sachsen-Anhalt?

Aber warum sollte man sich eigentlich Gedanken über eine neue Währung machen? Es gibt ja genug bewährte Währungen, mit denen man schon mal zahlen konnte. Die Münzen und Scheine von einst ließen sich problemlos nachprägen oder -drucken. Etliche Scheine von früher schlummern sowieso noch unter Matratzen. Fünf Ideen für eine neue alte Währung in Sachsen-Anhalt.

Der Hurenkarrentaler

Im Jahre 1622 hat Magdeburg eine ganz besondere Münze geprägt, um an die Gründung der Stadt an der Elbe zu erinnern. Auf der Vorderseite ist der Stadtgründer abgebildet, Kaiser Otto I., der von 936 bis 973 gelebt hat. Die Rückseite hat es dann in sich: Vier nackte Frauen sind da zu sehen. Sie stehen auf einem von Tauben und Schwänen gezogenen Wagen. „Venus die heydnisch gottin zart/ so blos hier angebettet wardt/ Nun ist gottlob das gottlich wort/ Hegegen gepflantz an dis ort.“ Ein sündiger Ort ist Magdeburg also gewesen, bevor der Kaiser aus den Heiden Christen gemacht hat. Die Stadtbewohner selbst waren sich sicher, dass da auf dem Wagen nicht Venus stand, begleitet von drei Grazien, sondern ganz einfach drei Prostituierte auf einem Schandkarren. Ganz schön heiß die Geschichte Magdeburgs. Nun soll es ja Menschen geben, die Sachsen-Anhalt nicht unbedingt als sexy bezeichnen würden. Mit dieser Münze könnte sich das ändern.

Die Neuguinea-Mark

Die Einführung der Neuguinea-Mark in Sachsen-Anhalt wäre ein Zeichen für den souveränen Umgang mit der nicht immer leichten Vergangenheit des Bundeslandes seit der Wiedervereinigung 1990. In den Jahren nach dem Beitritt war ein Wort in vieler Munde, das bis heute nicht wenige als demütigend empfinden: Buschzulage. Das war eine Prämie, die erfahrenen Superbeamten zugestanden wurde, die bereit waren, vom zivilisierten Westen in den Osten zu ziehen, um dabei zu helfen, diesen zu kolonisieren. Mit der Einführung der Neuguinea-Mark in Sachsen-Anhalt könnte das Land auf eine lässige Art an seine Geschichte als Buschland erinnern und hätte dabei ein Zahlungsmittel, das seinesgleichen suchen würde in der Bundesrepublik Deutschland. Die 1887 in Deutsch-­Neuguinea eingeführte 20-Mark-Münze bestand zu 90 Prozent aus purem Gold. An diese Mark wollen alle ran. Wetten?

Die Mark der DDR

Wenn bei gelernten Ostdeutschen davon die Rede ist, dass doch nicht alles schlecht war in der DDR, dann ist damit in den seltensten Fällen die Währung gemeint. An die gibt es nicht nur gute Erinnerungen – und das gewiss nicht nur, weil die Mark-Münze aus leichtem ­Aluminium war und sich schon so angefühlt hat, als sei sie nicht allzu viel wert. Auch die Läden, in denen man Dinge nur kaufen konnte, wenn man nicht mit der Mark der DDR bezahlt hat, sind nicht gerade Objekte der Ostalgie. Wenn indes über den Einzelhandelsverkaufspreis eines Brötchens in der DDR sinniert wird, dann mag manchem eine Träne über die Wange laufen. 0,05 Mark hat ein solches gekostet. Das Leben fühlte sich einfach billig an. Und das ist es, was Bernd Lucke mit seinem Vorschlag bezwecken will: Die Menschen sollen günstige Produkte aus Sachsen-Anhalt kaufen können. Dass die Währung außerhalb der Bundeslandesgrenzen nicht viel wert sein wird, das war bei der DDR-Mark auch nicht anders.

Das Magdeburger Notgeld

In den Jahren zwischen den Weltkriegen gab es eine Zeit, da hat es die Reichsbank nicht vermocht, so viel Geld zu drucken, wie gerade gebraucht wurde. Viele Regionen druckten daraufhin eigene Scheine und prägten eigene Münzen. Das Magdeburger Notgeld ist dafür ein besonders schönes Beispiel, weil man in der Stadt an der Elbe versucht hat, den Menschen mit schönen Motiven aus der Stadtgeschichte die Inflation zu versüßen.

Das pittoreske Bild von der Magdeburger Stadtgründung, das unten abgebildet ist, musste man schnell gegen Waren eintauschen. Das hat man nicht nur deshalb gemacht, weil die schnell gedruckten Scheine so leicht zu kopieren waren und deshalb schnell ersetzt werden mussten. Es steckte auch eine ökonomische Idee dahinter. Der Konsum sollte angekurbelt werden. Nichts anderes will ja auch Bernd Lucke.

Schöne Motive, in denen auch Botschaften verpackt werden können, finden sich gewiss zuhauf in Sachsen-Anhalt. Ein bunter Holzschnitt, auf dem eine brennende Flüchtlingsunterkunft zu sehen ist, könnte abschreckende Wirkung haben und die Menschen abhalten, nach Sachsen-Anhalt zu kommen. Ministerpräsident Reiner Haseloff wird ja nicht müde zu betonen, dass eine „Belastungsgrenze“ für das Land längst erreicht ist.

Man könnte natürlich auch einfach etwas Schönes abbilden. Die Raffinerie von Leuna etwa, die gestern sogar von der Kanzlerin besucht worden ist. Oder eben etwas Bewährtes wie den Magdeburger Dom. Der kann Aufmerksamkeit sowieso gut gebrauchen. 80 Prozent der Menschen in Sachsen-Anhalt sind konfessionslos. Das Notgeld könnte eine Währung sein, die weit mehr ist als ein Zahlungsmittel.

Die D-Mark

Für Bernd Lucke, der seine politische Karriere vor allem mit seiner Positionierung als Euro-Gegner so erfolgreich gestartet hat, wäre die Einführung der D-Mark in Sachsen-Anhalt vielleicht so etwas wie ein erster Schritt in die für ihn richtige Richtung. Dass sie in Sachsen-Anhalt als Krisenwährung in einem eher strukturschwachen Umfeld an den Start gehen würde, dass passt zwar nicht so recht zum Bild der bärenstarken Währung, das viele von der D-Mark immer noch haben, aber was soll’s. Sonst kommt die geliebte D-Mark vielleicht nie wieder.

So richtig weg war sie ohnehin nie. Allein in Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr beinahe eine Million D-Mark in Euro umgetauscht worden. Das ist immer noch gebührenfrei und zu dem Kurs möglich, der zur Währungsumstellung auf den Euro festgesetzt worden ist. Ein Euro kostet konstant 1,95583 DM. Doch wer das Geld wechseln will, der muss zur Bundesbank. Und wer hat schon eine Bundesbankfiliale um die Ecke? Und schon sind wir wieder bei Luckes Währungsidee. Wie schön und vor allem praktisch wäre es doch, wenn man das Geld einfach ausgeben könnte?

Die Bundesbank schätzt, dass noch 12,9 Milliarden D-Mark in Spardosen, unter Matratzen oder sonst wo aufbewahrt werden. Könnte man in Sachsen-Anhalt damit zahlen, Menschen aus der ganzen Bundesrepublik würden in das Land reisen, um eine wenig zu shoppen. Bis aus den Balkanländern, in denen die D-Mark eine Zeit lang so etwas wie eine Ersatzwährung war, könnten Kauflustige anreisen und damit den Konsum ankurbeln. Mit der Einführung der D-Mark wäre ein Boom in Sachsen-Anhalt kaum zu vermeiden.

Bei Kaufland in Halle wird man das vielleicht nicht ganz so positiv sehen. Dort kann man seit einiger Zeit wieder mit D-Mark zahlen. 15 Kunden kommen am Tag mit ihren alten Moneten, hat die Mitteldeutsche Zeitung recherchiert. Aber wer kennt schon Kaufland in Halle? Sachsen-Anhalt dagegen ...