Sokol: „Erschütternde Ergebnisse“

GELD Bremen ist mit 21,5 Milliarden Euro hoch verschuldet - da sollte die Haushaltsführung besonders sorgfältig sein. Weit gefehlt, wie sich zeigt

Nur ein knappes Drittel aller Zahlungsbelege ist fehlerfrei

Ungeprüfte Rechnungen, fehlerhafte Belege, Doppelförderungen und ein fehlender Überblick über Aufgaben und Strukturen - Bremens Haushaltsführung kommt bei den Prüfern mehr als schlecht weg. Die Präsidentin des Landesrechnungshofes, Bettina Sokol, berichtete bei Vorlage des Jahresberichtes am Donnerstag von „erschütternden Ergebnissen“ und „dramatischen Erkenntnissen“. Sie fragt sich, wie ernst die Ressorts die bremischen Haushaltsprobleme nehmen.

Beispiel Innenressort: In Bremen erhalten Standesbeamte 60 Euro Aufwandsentschädigung, wenn Brautpaare sich an sogenannten Außenstandorten - Fallturm, Botanika, Motorjacht - trauen lassen. Die Rechnungshof-Präsidentin nennt das „Bakschisch auf die Hand“ - und völlig unzulässig. Hauptamtliche Standesbeamte dürften die Trauung nicht nebenamtlich vollziehen. Beamte, die eine Trauung im Nebenamt vornähmen, dürften sich nicht privat entlohnen lassen. Diese Praxis sei rechtswidrig und müsse unterbunden werden.

Beispiel Sozialressort: Dort liegen nach Angaben des Rechnungshofes schon seit 2007 Daten vor, die möglicherweise Hinweise auf unrechtmäßigen Bezug von Sozialleistungen geben könnten. Die Daten würden aber nicht ausgewertet. Die Rechnungsprüfer gingen selbst ans Werk und fanden 2670 Fälle mit Anhaltspunkten, die eine Prüfung rechtfertigten. In einem Fall bezog ein Empfänger von Sozialleistungen Zinserträge in dreistelliger Höhe. Sollte sich nur ein Prozent der Fälle tatsächlich als unzulässig erweisen, entgingen dem Staat jährlich 200 000 Euro.

Beispiel Bildungsressort: Bei laufenden Zuwendungen an eine Stadtteil-Schule wurde ein Antrag nur auf einem DIN-4-Blatt mit Stichworten eingereicht - und bewilligt. „Von Vollständigkeit der Unterlagen konnte keine Rede sein“, kritisierte Sokol. Nur durch den Hinweis des Rechnungshofes habe das Bildungsressort zudem eine Zahlung von 200 000 Euro geprüft und 2015 die Rückzahlung durch die Stadtteil-Schule veranlasst.

Insgesamt sei in der Stadt Bremen nur ein knappes Drittel aller Belege für Zahlungsvorgänge fehlerfrei. Das sei nicht hinnehmbar, sagte Sokol. „Bremen wird auf absehbare Zeit ein Haushaltsnotlageland bleiben. Umso dringlicher ist es, bei jeder einzelnen Ausgabe ein geschärftes Bewusstsein für eine zielgerichtete, effektive und effiziente Mittelverwendung zu entwickeln“, mahnte Sokol.

Die Chefprüferin sagte, ihre Kritik solle nicht als „Bashing“ der zuständigen Sachbearbeiter verstanden werden. Es liege vor allem an den jeweiligen Dienstherren, für entsprechende Bedingungen zu sorgen, um eine sachgerechte Haushaltsführung und -prüfung zu gewährleisten.

Die Schulden stiegen 2015 in Bremen weiter und belaufen sich inzwischen auf 21,5 Milliarden Euro. Hinzu kämen rund 1,5 Milliarden Euro an Kreditaufnahmen der bremischen Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand. Insgesamt seien die Zinsausgaben um 6 Prozent auf jetzt jährlich rund 630 Millionen Euro gestiegen. dpa