Stoiber ist überall

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Es scheint, als wolle Edmund Stoiber in diesen Tagen überall sein. Gestern endete die Konferenz der Ministerpräsidenten, auf der Edmund Stoiber erneut als großer Zampano brillieren wollte. An der Abschlusspressekonferenz um halb zwölf in Aachen konnte Bayerns Landesvater schon nicht mehr teilnehmen.

Ab zwölf musste er bereits in Berlin um sein Superministerium für Wirtschaft und High-Tech ringen. Dass gleichzeitig die schwarz-rote Koalitionsarbeitsgruppe zu den Staatsfinanzen über seine Zuständigkeiten stritt, konnte er nicht verhindern. Stoiber hier, Stoiber da, Stoiber ist der Wirbelwind in der Union.

Nur bekommt der CSU-Grande nirgendwo mehr Beifall. Vor allem bei der Schwesterpartei CDU findet sich kaum jemand, der ein gutes Wort für Stoiber übrig hat. „Er wird nicht weit kommen mit seinen Forderungen“, lautet noch die freundlichste Formulierung, die im Konrad-Adenauer-Haus dafür gefunden wird, dass Stoiber bei der Regierungsbildung verbrannte Erde produziert.

Stoiber ist zum Beispiel gerade dabei, Merkels Vertraute Annette Schavan, die designierte Chefin des Bildungs- und Wissenschaftsressorts, zu einer Ministerin „ohne Bedeutung“ (Vorgängerin Edelgard Bulmahn) herabzustufen. Der CSU-Mann will zwei oder drei ihrer Abteilungen – so genau weiß es keiner – für sich haben. Das hieße, dass der Bayer nicht einfach für Wirtschaft stünde, sondern als Minister für Raumfahrt, Bio- und Nanotechnologie firmieren würde.

Stoiber will offenbar seinen wichtigsten bayerischen Erfolg im Bund wiederholen: den Strukturwandel vom Lederhosen- zum Laptopland. Im Bund aber sind viel mehr Akteure in der Wissenschaftslandschaft im Spiel – und die wichtigsten, von den Hochschulrektoren bis zur Deutschen Forschungsgemeinschaft, hat er bereits verprellt. Obendrein erschweren Stoibers Pläne die von Union und SPD versprochenen Investitionen in Bildung und Innovation. (Siehe unten.)

Auf der Berliner Bühne war der Kredit für Stoiber aufgebraucht, als er die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin in Frage stellte. Stoiber aber brüskiert die CDU weiter. Für die schwarz-rote Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie etwa, die gestern ihre Arbeit aufnahm, wollte Stoiber ein eigenes Beraterkabinett zusammenrufen – ohne Absprache mit der Merkel-Partei.

Stoibers Ressortwünsche sorgen dafür, dass gestern und vorgestern drei Koalitionsrunden mit der gleichen – unbeantworteten – Frage beginnen mussten: Über welches Ministerium reden wir eigentlich? Dem strategisch planenden Lenker, der in Bayern Peter Gauweiler, Monika Hohlmeier, Theo Waigel und viele andere abservierte, scheinen die Zügel zu entgleiten.

Stoiber tanzt auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig. Und gibt dabei keine souveräne Figur mehr ab. In der Nachfolgefrage um die Staatskanzlei in München (Beckstein gegen Huber) behielt der Ministerpräsident gerade noch die Oberhand – mit Hilfe eines Moratoriums, das schwerlich bis zum Ende der Koalitionsgespräche in Berlin halten wird. In der Hauptstadt aber schwelen drei weitere Brandherde für Stoiber: Der designierte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ist nicht gewillt, wichtige Europazuständigkeiten an Stoiber abzugeben – das sei „mit der SPD nicht machbar“.

Die Ministerpräsidenten der Länder, allen voran Unionsfreund Jürgen Rüttgers, halten die bisherigen Abmachungen Stoibers zur Föderalismusreform für unzureichend – weil die wichtigen und komplizierten Finanzbeziehungen unerledigt seien. Auch die Wissenschaftsministerin in spe Schavan (CDU) will nicht aufgeben im Zuständigkeitskampf mit Stoiber. „Es fängt an, mir Spaß zu machen“, sagte Schavan frech in Richtung des scheinbar übermächtigen CSU-Chefs.