Sonntags: Ruh!

WAS SAGT UNS DAS? Einkaufen am Sonntag bleibt eine Ausnahme – schließlich sind wir fromme Streber

Am Sonntag fällt es gar nicht schwer, an den Herrn im Himmel zu glauben, ihn zu loben und zu preisen. Immerhin beschert er uns an diesem Tag vor allem eins: Man darf mal richtig schön ausschlafen. Der ursprüngliche Gedanke des arbeitsfreien Sonntages ist natürlich ein religiöser – und noch dazu im Grundgesetz verankert. Genau wie das Recht auf Glaubensfreiheit und deren Ausübung. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die beiden großen Kirchen, in ungewohnter Einigkeit (welch göttlicher Nebeneffekt), gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz geklagt – und gewonnen haben. Zehn Sonntage im Jahr sind in Berlin als verkaufsoffen zugelassen, darunter alle Adventssonntage – die bislang toleranteste Regelung in Deutschland. Damit ist ab nächstem Jahr aber Schluss.

Schaut man auf unsere europäischen Nachbarn, sieht die Welt zum Teil ganz anders aus: In vielen Ländern wird auf den heiligen Sonntag fröhlich gepfiffen, geschuftet und geshoppt. Wir Deutschen hingegen zeigen ungeahnte religiöse Ambitionen, als wären wir alle kleine Konfirmanden-Streber. Argumente für den verkaufsoffenen Sonntag, wie Entlastung der Arbeitnehmer und neue Arbeitsplätze, klingen zwar ganz gut. Doch der eigentliche Antrieb ist doch ein rein wirtschaftlicher: Umsatz soll gemacht werden.

Kurz vor Weihnachten folgt dann also vom höchsten Gericht die erlösende Botschaft: Hier ist nicht die Schweiz. Bei uns können gesellschaftliche Grundsätze wie die Religionsfreiheit nicht einfach so gekippt werden.

LILIAN GRUNDLER