„Wir haben geträumt“

Nour Saad, 26, Studentin aus Damaskus, jetzt in den USA

Am meisten sehne ich mich danach, meine Familie wiederzusehen. Ich musste im Sommer aus Syrien fliehen und lebe jetzt in Houston, Texas. Ich bin alleine hier, meine Eltern und meine kleine Schwester sind noch in Damaskus. Wann ich sie wiedersehen kann, weiß ich nicht, oft kann ich sie nicht einmal erreichen. Ich halte das nur sehr schwer aus, denn die Situation in unserem Viertel Jaramana ist schlecht. Immer wieder gehen Bomben hoch. Mein Onkel ist neulich verhaftet worden. Doch meine Eltern weigern sich zu gehen. Was 2013 passieren muss?

Assad muss verschwinden, und alle Waffen mit ihm. Der Aufstand ist inzwischen wirklich islamistisch geworden. Ich war bei den Protesten von Anfang an mit dabei. Ich habe Demonstrationen mitorganisiert und war deswegen im Gefängnis. Heute frage ich mich, ob das überhaupt noch mein Aufstand ist, ob das noch der Aufstand aller Syrer ist, egal welcher Religion sie angehören. Als alles anfing, hatte ich keine Zweifel: Islamisten haben in Syrien keine Chance, dachte ich. Ich habe fest daran geglaubt, dass wir gemeinsam eine neue Zivilgesellschaft aufbauen würden. Wir waren Träumer. Jetzt habe ich Angst, zum ersten Mal in meinem Leben habe ich als Christin Angst.

Manchmal denke ich trotz allem, dass unser Traum noch etwas gilt, dass die islamistischen Tendenzen nur eine Phase sind, die vorübergeht. Aber in anderen Momenten denke ich, dass die Welt wirklich hässlich ist und dass unsere Träume wertlos sind.