Der CDU-Wahlanalytiker: Philipp Mißfelder

Philipp Mißfelder, Chef der CDU-Jugendorganisation Junge Union, hat seiner Partei wieder einmal eine Diskussion aufgezwungen. Mit der Debatte um den Unionswahlkampf lenkt der schlaue Bochumer auch von eigenen Fehlern ab

Der Augsburger Kongress tanzte, pausbäckige junge Männer in hellblauen Poloshirts klatschten begeistert in die Hände. „Phi-Lipp, Phi-Lipp!“, riefen die Delegierten des „Deutschlandtags“ der Jungen Union (JU). Als die jungen Konservativen am Wochenende ihren Philipp Mißfelder feierten, hatte der 26-jährige Bochumer allen Grund zur Freude. Wieder einmal war es dem JU-Bundeschef gelungen, seiner Partei eine Diskussion aufzuzwingen. Eigentlich wollten weder die designierte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch CSU-Boss Edmund Stoiber über den miesen Bundestagswahlkampf der Union sprechen – aber am Ende redete zumindest Stoiber dann doch über das Debakel vom 18. September.

Zum Gaudium der rund 1.000 Delegierten hatte Mißfelder zu einer Analyse des Wahlkampfs aufgefordert, „auch wenn es der CDU nicht gefällt“. „Wir machen uns Sorgen um das bürgerliche Lager“, sagte Mißfelder. Mit dem Gestus des zerknirschten Vordenkers lenkt er zugleich von eigenen Fehlern ab. Schließlich war Mißfelder im Wahlkampf für harte Reformmaßnahmen im CDU-Wahlprogramm eingetreten. „Mißfelder verlangt schärfere Beschlüsse“, lauteten die Überschriften. Mittlerweile gilt es in der CDU als gesicherte Erkenntnis, dass gerade Forderungen wie die nach Einschränkungen im Kündigungsschutz entscheidend zum unsozialen Image der Union und zum Misserfolg bei der Wahl beigetragen haben.

Der schlaue Wahlanalytiker Mißfelder schert sich nun nicht mehr um sein „Geschwätz von gestern“. Seine neue Sprachregelung lautet: „Wir müssen stärker als Volkspartei auftreten.“ Mehr soziales Profil brauche die CDU. Derartige taktische Wendemanöver haben dem Geschichtsstudenten parteiintern das Image des „Opportunisten“ eingebracht. „Philipp will Karriere machen – und sonst gar nichts“, sagt ein CDUler aus dem NRW-Landesvorstand. Schon bei seinem Start als JU-Bundeschef vor drei Jahren galt Mißfelder als Sonderling in der elitären CDU-Jugend. Der Ruhrgebiets-Junge komme doch eher aus einfachen Verhältnissen, kolportieren Parteifreunde, umso erstaunlicher sei seine Positionierung auf dem wirtschaftsliberalen CDU-Flügel.

Im Amt des JU-Chefs profilierte sich Mißfelder als eine Art Klassensprecher der Generation 1980, jener Alterskohorte, die wenig Lust hat, Norbert Blüms teuren Sozialstaat zu finanzieren. Legendär ist sein Satz, es sei doch nicht nachvollziehbar, „wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen“, früher seien „die Leute auch auf Krücken gelaufen“. Die folgende Erregungswelle hat Mißfelder bekannt gemacht. Davon zehrt der Neu-Parlamentarier – bei der Wahl verlor er im Wahlkreis Recklinghausen gegen die SPD, zog aber über die NRW-Landesliste in den Bundestag ein – medial heute noch.

Über den Privatmann ist wenig bekannt. Mißfelder soll in seiner Freizeit gern Bücher des Schriftstellers Christian Kracht lesen. Auch selbst betätigte er sich als Autor. Von ihm ist ein Ratgeber erhältlich: „Money – Tipps, wie du dein Geld vermehren kannst“. MARTIN TEIGELER