Leiden schafft das Ende der Diskussionen

Ein 2:1 gegen Osnabrück beendet beim FC St. Pauli Machtspielchen, von denen der Verein offiziell nichts wissen will. Trainer Andreas Bergmann bleibt und Teile des Präsidiums freuen sich über drei Punkte und Torschütze Hauke Brückner als Ruhestifter

von OKE GÖTTLICH

Plötzlich war sie wieder da. Die große Leidensgemeinschaft St. Pauli. Die Spieler drückten sich, Pressesprecher und Manager, Trainer und Präsidiumsmitglieder fielen sich nach dem 2:1 gegen Osnabrück in die Arme. Spieler wie Fans ließen die Welle durchs Stadion schwappen und als zwanzig Minuten nach Spielende St. Pauli-Trainer Andreas Bergmann über den Rasen zur Pressekonferenz schritt, riefen einzelne Fans sogar: „Andi, wink doch mal.“ Andi winkte und grinste. Ein seltener Anblick in den letzten zehn Tagen, in denen er Protagonist einer Trainerdiskussion war, die niemand geführt haben wollte.

Bis heute will niemand mehr wissen, weshalb die Trainerfrage in Team- und Medienkreisen so lautstark aufkam, dass Mitarbeiter in der Geschäftsstelle schon vor dem verlustig gegangenen Kiel-Spiel mehr über die Zukunft des Trainers wussten, als der Kritisierte selbst. Offiziell heißt es nur, dass es keine Trainerdiskussion gab. Zu keinem Zeitpunkt. Präsident Corny Littmann sagt das. Eben so wie sein Vize Holger Stanislawski. Nur Marcus Schulz, ebenfalls Vizepräsident, hält sich mit Statements diesbezüglich in der Öffentlichkeit zurück. Vielleicht weil er als finanziell Verantwortlicher keine Meinung zu dem sportlichen Thema hat, oder aber eine zu explizite, die den internen Kreis eigentlich nicht verlassen sollte.

„Eine private Meinung haben wir alle, das ist doch völlig normal“, sagt Corny Littmann. „Doch die muss nicht immer die beste für den Verein sein“, fügt er hinzu. Wohlwissend, das die aufgekommene Debatte auch ein Risiko für den Verein bedeutet hätte. Finanziell wie sportlich. Denn ein neuer Trainer wäre kaum eine Garantie für den ersehnten Aufstieg. „Ein Präsidium kann nicht verhindern, dass Fans und Journalisten dieses Thema aufschnappen“, gibt Littmann zu bedenken. Gleichwohl setzt er auf eine weniger hektische Umgangsweise. „Auch bei Franz Gerber haben wir nicht holterdiepolter reagiert. Er hatte eine Serie von sieben nicht gewonnenen Spielen, bevor wir handeln mussten.“

Vizepräsident Holger Stanislawski erinnert sich nach dem Erfolg gegen Osnabrück wohl an Zeitpunkte, in denen „das Thema auf dem Zettel stand, als die Gefahr bestand ein Ziel eventuell aus den Augen zu verlieren.“ Das war nach dem knapp gewonnenen Leverkusen-Spiel sowie nach den drei Spielen vor Osnabrück mit nur einem Punkt. „Da wird von außen, aber auch intern kritisiert, analysiert und spekuliert.“ Das gehöre halt dazu. Menschen, die wie Stanislawski lange Fußballer waren und noch gerne wären, glauben dies. Und ebenso daran, dass Höchstleistung „nur unter einem gewissen Druck entstehen kann.“ Diesen Druck bekam Andreas Bergmann zu spüren. Und Stanislawski erkennt an, wie sich dieser Trainer „mit viel Probieren der Kritik gestellt hat.“

Bergmann ließ das Team, von dem er, wie auch Stanislawski, „eine größere Professionalität“ fordert, zwei Trainingseinheiten am Tag durchführen. Er sprach mit den Fans über die deutliche Niederlage gegen Kiel. Und er führte Gespräche mit den Verantwortlichen, ob die weitere Zusammenarbeit gewünscht sei, was diese bejahten.

So auch die Spieler. Vor allem, wenn man die Leidenschaft der Spieler des FC St. Pauli als Gradmesser nimmt, mit der sie sich gegen den zuletzt schwankenden Saisonverlauf stemmten. Kaum jemand verkörpert das stärker als Hauke Brückner, der seit knapp zwei Jahren nicht mehr als Stammspieler auflaufen konnte, weil seine Gesundheit anderes mit ihm vor hatte. Er verlieh dem Mittelfeld Stabilität, wie sie nur jemand erarbeiten kann, der seit Jahren am Millerntor spielt. Gemeinsam mit Thomas Meggle und Kvicha Shubitidze ist Brückner in der Lage, dem jungen Team Erfahrung zu verleihen. Das ausgerechnet der defensive Brückner das 2:1-Endergebnis erzielte, ist nur der Plot einer Woche, in der das Team durch Arbeit eine positive Wende schaffte. „Zu Hauke kann man sagen: So wie man trainiert, spielt man auch“, fasste es Mitspieler Timo Schultz zusammen.

Im günstigsten Fall wird der seitens des Vereins nie stark gemachte Trainer Bergmann „an Situationen wie in der vergangenen Woche wachsen“, glaubt Holger Stanislawski. Ob das auch ohne öffentliche Diskussionen klappen kann, muss der FC St. Pauli noch beweisen.