Die stumpfe Waffe der Arbeiter

AUTOINDUSTRIE Daimler will die Produktion seines Brot-und-Butter-Modells, der C-Klasse, in die USA verlagern. Dagegen kämpft die Belegschaft am Stammsitz Sindelfingen. Nur wie?

Daimler leidet unter dem derzeit schwachen US-Dollar

VON INGO ARZT

Über 10.000 Mitarbeiter sind am Dienstagmorgen zu Protesten vor das Daimler-Werk in Sindelfingen bei Stuttgart gekommen. Am Abend wollte der Vorstand des Konzerns eine für sie so wichtige Entscheidung treffen: Soll ab 2014 die C-Klasse nur noch in den USA, Südafrika und China gebaut werden? Sie macht derzeit ein Drittel der täglichen Produktion von 1.800 Wagen in Sindelfingen aus, wo Daimler inklusive der Entwicklungsabteilung 38.000 Beschäftigte hat – das Herz des Konzerns.

„Wir werden unsere Arbeitsplätze nicht einfach kampflos ins Nirwana verschwinden lassen“, sagte Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm. 3.000 Arbeitsplätze stünden auf der Kippe. Das wäre, als würde in Kaiserslautern das Opel-Werk dichtmachen. Aus der ganzen Umgebung sind Busse mit Angestellten von Zulieferern gekommen: Bei Firmen wie Bosch, Mahle oder Behr hängen 2.000 Arbeitsplätze an der C-Klasse. Der Bosch-Betriebsratsvorsitzende Hartwig Geisel sagte: „Unsere Region und unsere Familien leben von Daimler.“

Wie die Daimler-Belegschaft eine Drohkulisse gegen den Vorstand aufbauen will, ist fraglich. Niemand redet in Zeiten der Kurzarbeit von Streik. Bereits im Frühjahr hatte die Belegschaft kürzere Arbeitszeiten und damit geringer Löhne von bis zu 20 Prozent hingenommen, um dem Konzern zu helfen. Bei einem Arbeitskampf jetzt, außerhalb von Tarifverhandlungen, würden die Angestellten keinen Lohnersatz bekommen und noch mehr finanzielle Verluste hinnehmen müssen. Eine Verlagerung der Produktion ist zudem eine Entscheidung, bei dem weder Aufsichts- noch Betriebsrat formal ein Mitspracherecht haben.

Will der Vorstand die Gunst der Stunde nutzen? Bereits 1996 und 2004 sollte die C-Klasse in andere Werke verlagert werden. Allerdings verhandelte man damals über hohe Schichtzulagen, zu lange Pausen und zu kurze Arbeitszeiten. Entsprechend gab es frühzeitig ein Angebot des Vorstandes an den Betriebsrat, um Kosten zu senken. Das ist bisher ausgeblieben. Denn Daimler scheint auf ein strukturelles Problem reagieren zu wollen. Der Konzern baut mehr als 80 Prozent seiner Autos in Westeuropa, nur 60 Prozent davon werden auch dort verkauft. Zudem sind die Lohnkosten in Sindelfingen gegenüber dem anvisierten US-Werk in Tuscaloosa mit seiner Produktion von Geländewagen und der R-Klasse nur wegen des derzeit sehr schwachen Dollars deutlich höher.

Gegen den Wechselkurs von Euro und Dollar kann die Belegschaft in Sindelfingen nichts ausrichten. Klemm glaubt, es sei ökonomisch sinnvoll, wie bisher in Bremen, Sindelfingen, Südafrika und China zu produzieren. Zudem warnt er davor, das Gütesiegel „Made in Germany“ zu verspielen, wenn die Wagen im Ausland gebaut würden.