Die Richtung stimmt

Zwar müssen die deutschen Alpin-Frauen in Sölden zusehen, wie Tina Maze, Janica Kostelić und Anja Pärson aufs Stockerl steigen, weiter schlimm aber ist das nicht. Der Winter ist schließlich noch lang

AUS SÖLDEN ELISABETH SCHLAMMERL

Es war einst die glorreiche Idee der Skiindustrie, den Beginn des Weltcup-Winters in den goldenen Herbst zu verlegen, um das Geschäft mit den Brettern und Schuhen rechtzeitig anzukurbeln. Der größte Profiteur des frühen Prologs der Alpinen ist und bleibt aber Sölden. Der österreichische Ort im Ötztal ist in diesem Jahr zum neunten Mal Ausrichter der ersten Rennen –und bisher haben die Veranstalter noch in jedem Oktober einen neuen Besucherrekord vermelden können. Der Tourismus boomt während der zwei Weltcup-Tage am Rettenbachferner und mittlerweile bezeichnet den frühen Start niemand mehr als Schnapsidee. Selbst die Athleten haben sich daran gewöhnt, dass der Auftakt nicht besonders gut in die Saisonplanung passt, weil er eigentlich noch mitten in der Trainingsphase liegt. Dennoch: Sölden ist nicht mehr nur Standortbestimmung oder Generalprobe für die ersten Rennen in Nordamerika in fünf Wochen.

Als Tina Maze aus Slowenien am Samstag als Siegerin des ersten Riesenslaloms des Winters feststand, feierte sie ausgelassen im Zielraum. Janica Kostelić, die Zweitplatzierte, hatte zuvor schon so einen mächtigen Sprung hingelegt, dass ihre Betreuer vermutlich ein wenig Angst bekommen haben, das lädierte Knie könnte noch größeren Schaden erleiden. „Es ist noch nicht so oft passiert, dass ich im Riesenslalom auf dem Podium gelandet bin. Dieses Resultat ist wahrscheinlich die größte Überraschung für mich.“ Und auch Anja Pärson aus Schweden strahlte als Dritte über das ganze runde Gesicht. Ein Sieg zum Auftakt, weiß Martina Ertl bestens, „gibt viel Selbstvertrauen“.

Die Lenggrieserin hat schon zweimal gewonnen in Sölden, und natürlich, gibt sie zu, wäre sie auch gern bei ihrem letzten Rennen auf dem Rettenbachferner ganz oben auf dem Podest gestanden. Einerseits schaute sie nach ihrem achten Platz deshalb ein wenig wehmütig auf das feiernde Siegertrio. Andererseits aber weiß sie, dass sie noch Reserven hat. „Es gibt noch was zu tun“, sagte Ertl, „aber ich bin schon ganz zufrieden.“ Die Richtung stimmt auch bei Maria Riesch, obwohl die 20-Jährige noch ein Stück weiter entfernt ist von der Idealform. Aber damit war beim Auftakt auch zu rechnen nach ihrem Kreuzbandriss vor zehn Monaten und der kleinen Knochenblessur, die sie im Trainingslager in Neuseeland Mitte September erlitten hatte. Riesch fuhr dementsprechend verhalten den schwierigen Hang, im zweiten Durchgang noch ein wenig vorsichtiger als im ersten, und rutschte deshalb vom 17. auf den 24. Rang ab. „Von der Fahrleistung her, ist sie etwas weiter als die Platzierung hier“, urteilte Cheftrainer Wolfgang Maier. Jedoch: „Sie geht nicht ans Limit, aber das ist ganz normal.“ Nach einer so langen Verletzungspause würde es eben etwas dauern, „bis man wieder im Rhythmus ist“. Letztendlich war dann auch Riesch nach der ersten Enttäuschung über den „verbockten zweiten Lauf“ ganz froh, dass das lädierte Bein keine Schmerzen bereitete. „Das Rennen ist nicht das Maß aller Dinge“, sagte sie. Vor allem nicht für eine Rekonvaleszentin wie sie.

Es ist in der Tat nicht unbedingt erstrebenswert, schon in Sölden Bestleistung zeigen zu können, denn die Form bis zum Saisonhöhepunkt – in diesem Jahr die Olympischen Spiele im Februar – so lange zu konservieren, gelang bisher nicht vielen Athletinnen. Pärson zum Beispiel hatte es im Vorjahr geschafft. Als Auftaktsiegerin von Sölden gewann sie gut drei Monate später bei der Weltmeisterschaft in Bormio zwei Goldmedaillen und am Ende der Saison den Gesamtweltcup. Sie hatte sich danach erst einmal einen sehr relaxten Sommer gegönnt – und noch einmal ein wenig an Muskelmasse zugelegt.

Mit derartig gewichtigen Argumenten startet die zweite Ausnahmekönnerin im Damenzirkus, Janica Kostelić, normalerweise auch in die Saison. In diesem Jahr aber wirkt die Doppelweltmeisterin von Bormio allerdings so schlank wie lange nicht mehr. Womöglich liegt dies an der sommerlichen Zwangspause. Im Juni hatte sie sich wieder einmal am Knie operieren lassen müssen, konnte deshalb erst Anfang September mit dem Skifahren beginnen. „Ich habe bisher nicht mehr als 22 oder 23 Schneetage gehabt“, sagte sie. „Aber im Riesenslalom bin ich ohnehin besser, je weniger ich trainiere.“