: Kein Erbarmen mehr
Flüchtlinge Bayern spielt schon einmal die Schließung der deutschen Grenze durch, und die Union schießt sich gemeinsam auf Sigmar Gabriels Forderung nach mehr Geld ein
von Daniel Bax
Die Polizei in Bayern bereitet sich darauf vor, die Grenze zu Österreich zu schließen. Die Polizeipräsidien in Niederbayern, Oberbayern Süd sowie Schwaben Süd/West hätten den Auftrag erhalten, sich darauf einzustellen, alle Grenzübergänge binnen weniger Stunden wieder zu kontrollieren, berichteten mehrere Medien am Wochenende übereinstimmend.
Die Linie hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer vorgegeben: Wenn es keine europäische Lösung gebe, müsse eben auf nationale Maßnahmen gesetzt werden. „Konkret heißt das: Kontrolle unserer nationalen Grenzen und Rückweisung von Flüchtlingen“, sagte der CSU-Chef dem Spiegel. Deutschland sollte nur noch rund 300 Flüchtlinge pro Tag durchlassen, konkretisierte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Am Verhalten Österreichs, nur noch 80 Flüchtlinge am Tag aufzunehmen, gebe es „nichts zu kritisieren“, fügte er hinzu.
Dabei hat die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, durch die Grenzschließungen in Mazedonien in den letzten Tagen stark abgenommen. Dafür stauen sie sich in Griechenland. Laut Spiegel sind auf der Balkanroute inzwischen vor allem Frauen und unbegleitete Jugendliche unterwegs. Sie machten bis zu 80 Prozent aller Flüchtlinge aus, berichtet das Blatt.
Eine Rückkehr zu Grenzkontrollen kann Bayern nicht alleine beschließen. Denn für den Schutz der deutschen Grenzen ist die Bundespolizei zuständig, die wiederum dem Bundesinnenminister untersteht. Dessen Sprecher wiegelte ab, über „derart konkrete Maßnahmen“ denke man in Berlin nicht nach.
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte schon in der vergangenen Woche vor nationalen Alleingängen gewarnt. Und Volker Kauder, Fraktionschef der Union, warnte im Focus: „Wenn jeder nur sein nationales Ding macht, verändert das Europa in rasender Geschwindigkeit zum Schlechten.“ Beide Politiker fürchten, dass die Situation in Griechenland mit den vielen Flüchtlingen außer Kontrolle geraten könnte.
Einig ist man sich in der Union dagegen in der Kritik an Sigmar Gabriel, der jüngst ein „neues Solidaritätsprojekt“ gefordert hatte – mit Kitaplätzen für alle, mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und einer Abkehr vom strikten Sparkurs. Er wolle verhindern, dass sich Bürger durch die Ausgaben für Flüchtlinge zurückgesetzt fühlten, begründete der SPD-Chef seinen Vorstoß.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) putzte den Vorschlag am Samstag als „erbarmungswürdig“ herunter. Und Horst Seehofer erklärte ihn bei einer Wahlkampfveranstaltung mit der rheinland-pfälzischen CDU-Landeschefin Julia Klöckner zur „Schnapsidee“.
Am Sonntag legte Gabriel jedoch nach. In der Bild am Sonntag forderte er nun ein „Integrationspaket für Flüchtlinge“. Ohne mehr Geld für Schulen und Kitas, Lehrer und Erzieher, Sprachförderung und Ausbildung, drohte Gabriel, werde seine SPD dem nächsten Bundeshaushalt „gewiss nicht zustimmen“.
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