der rote faden
: Wie ein kleines Land zu einem großen Schurken wurde

nächste wocheMeike Laaff Foto: Helena Wimmer

durch die woche mit Robert Misik

Ich bin ja jetzt Bürger eines Schurkenstaats. Mal wieder. Als Österreicher ist man das mit einer gewissen Regelmäßigkeit gewöhnt. In den achtziger Jahren wählten die Österreicher Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten, dann gab es Anfang der 2000er Jahre die erste Rechtskoalition unter Einschluss von Rechtsradikalen innerhalb der EU. Alles Episoden, in denen Leute wie ich nicht nur in Widerspruch zu den Geschehnissen im Inland standen, sondern sich international auch für unser Land schämten (und viel erklären mussten, wenn wir ins Ausland fuhren). Und jenseits solcher Episoden gibt es diese chronische Schurkenhaftigkeit, weil bei uns die Rechtspopulisten so stark sind.

Jetzt also wieder: Schurkenstaat. Nachdem Werner Faymann, der Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende, der ein paar Monate lang engster Mitstreiter in Angela Merkels „Koalition der Willigen“ war, vor dem konservativen Koalitionspartner, der rechtsradikalen Opposition und dem, was er für die Volksstimmung hält, einknickte, machte die Politik des Landes einen Schwenk in abenteuerlicher Geschwindigkeit. Innerhalb weniger Tage wurde Österreich gemeinsam mit Viktor Orbáns Ungarn Vorkämpfer einer antieuropäischen Politik der Alleingänge.

Rechtsruck

Dabei ist es nicht einmal so, dass Österreich gar keine Flüchtlinge mehr aufnehmen wird. Eine Obergrenze von 37.500 Asylanträgen jährlich wurde beschlossen – das ist zwar auch menschenrechtlich fragwürdig, aber damit läge das Land trotzdem noch im humanitären Spitzenfeld in Europa. Das Üble ist aber, dass sich Österreich an die Spitze einer Zaunbau-Koalition setzte.

Besonders pikant: Während Österreichs Außenpolitik Konflikte mit den EU-Partnern Deutschland und Griechenland buchstäblich vom Zaun bricht, schließt sie sich zum selben Zweck mit Ländern zusammen, die nicht einmal EU-Mitgliedstaaten sind. Neben den EU-Staaten Österreich, Ungarn, Slowenien und Kroatien gehören zur neuen Balkan­allianz auch noch Serbien und Mazedonien. Gleichzeitig ist Griechenland ausgeschlossen.

Zaunbau

Ziel und Resultat dieser Al­lianz wird sein, dass zigtausende Flüchtlinge im ökonomisch ohnehin gebeutelten Griechenland festsitzen werden. Ein aggressiver, feindseliger Akt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: EU-Mitgliedstaaten tun sich mit Nicht-EU-Mitgliedstaaten zusammen, um ein EU-Mitgliedsland fertigzumachen. Das hätte sich vor einem halben Jahr nicht einmal der Scharfmacher Orbán getraut.

All das ist nicht ohne historische Pointen: Dass jetzt Deutschland und Griechenland gemeinsam düpiert sind, ist fast schon lustig, bedenkt man die deutsch-griechischen Spannungen der vergangenen Jahre. Auch nicht ganz ohne ist jene historische Analogie: Österreich wendet sich wieder einmal von der Westbindung ab, um am Balkan und im Osten seine Al­lian­zen zu schmieden.

Griechen-Bashing

Historisch hat das konservative Österreich den Balkan immer als den Hinterhof des Landes angesehen. Das ist nicht immer gut ausgegangen, damit trat man schon einmal einen Weltkrieg los. Aber dieser Drang zu Balkanallianzen hat auch psychologische Gründe: Hier kann sich selbst ein kleines Land wie Österreich als Weltmacht fühlen.

Tatsächlich führt es sich auch so auf. Und bringt damit übrigens die neuen Alliierten in unmögliche Situationen. Serbien beispielsweise will demnächst EU-Mitglied werden und hat überhaupt keine Lust, sich von Österreich in einen Konflikt mit den großen EU-Staaten hetzen zu lassen. Und selbst in Mazedonien hat die korrupte Rechtsregierung keine allzu große Freude daran, dass Österreich jetzt Konflikte mit Griechenland schürt. Denn Griechenland ist für Mazedonien immerhin Nachbar, und mit Nachbarn vermeidet man grobe Zerwürfnisse nach Möglichkeit.

Weltmachtsfantasien

Deswegen ist es wahrscheinlich, dass dem jungen Außenminister, der sich gerade sehr geschickt vorkommt, seine Machttrickserei für Anfänger bald um die Ohren fliegt. Besonders zu Ende gedacht ist die Sache ohnehin nicht. Noch kann er sich im Glauben wiegen, dass er mit seiner Antiflüchtlingspolitik einer Volksstimmung Genüge tut. Aber spätestens in zwei, drei Wochen werden Elendsbilder zigtausender Gestrandeter um die Welt gehen, Bilder von Menschen, die nur ihr nacktes Leben retten konnten und nun an der mazedonischen Grenze im Morast festsitzen.

Wenn diese Bilder über die TV-Schirme flimmern, wird die Stimmung wieder kippen. Wer in der Lage ist, nur ein paar Züge im voraus zu denken, weiß das heute schon. Auch Schurke muss man können.